Wallentin, Jan
kippte mehrmals um, bis Don das Kunststück gelang,
seinen Fuß festzubinden.
Die
Rechtsanwältin entzündete die Flamme, woraufhin sie missgestimmt feststellten,
dass sich der Strahl noch nicht bewegt hatte. Don nahm seinen Notizblock und
schrieb:
4.
Oktober, 12.20 Uhr lat. 83 Grad 50 Minuten Nord long. 28 Grad 40 Minuten Ost
Eva hatte
einen kleinen Zettel mit den letzten Koordinaten des Eisbrechers dabei. Auf
der Arktiskarte zog sie die Linie seiner geplanten Route nach. Mit Hilfe eines
Lineals versuchte sie den Abstand zur Öffnung zu schätzen. Schließlich sagte
sie:
»Wir
bewegen uns viel zu weit östlich. Wir werden im Abstand von mindestens fünfzig
Seemeilen vorbeifahren.«
Don
wiederholte ihre Messung und konnte nur nicken.
»Im Moment
sind es nicht einmal zehn schwedische Meilen«, stellte Eva fest. »Wie viel Zeit
wird es den Eisbrecher kosten? Ein paar Stunden?«
»Tja, uns
bleibt nichts anderes übrig, als hinauf zur Kommandobrücke zu gehen und die
Russen zu bitten, ihren Kurs zu ändern«, erklärte Don.
Eva
schraubte die Flamme des Bunsenbrenners herunter, bis sie erstarb.
»Wir
warten lieber noch ein bisschen«, meinte sie. »Vielleicht ändert der Strahl ja
in der Zwischenzeit seine Position. Es hat keinen Sinn, mit David Bailey und
den Russen zu sprechen, bevor wir nicht exakt wissen, wo sich die Öffnung
befindet.«
»Aber
vermutlich wird sie sich nicht direkt vor dem Eisbrecher auftun«, gab Don zu
bedenken. »Wie sollen wir es also anstellen, sie zu überreden?«
Doch die
Rechtsanwältin zuckte lediglich mit den Achseln. Dann zog sie ihre Jacke an und
verließ seine Kabine.
Beim
Abendessen saß Don wie immer alleine und stocherte in seinem Borschtsch herum.
Bei dem knirschenden Geräusch, das entstand, als sich das Fahrzeug durch die
Eismassen presste, war es nicht ganz leicht, die Rote Beete-Suppe hinunterzuwürgen.
Auch die Rentner saßen genau wie die Jugendlichen vom WWF schweigend da. Das
Knirschen lag wie eine dumpf dröhnende Bedrohung über dem Speisesaal.
Die
Einzigen, die sich unterhielten, waren die Südamerikaner um Agusto Lytton. Don
hörte die Stimmen von Moyano und Rivera heraus, die beiden Männer, die Wand an
Wand neben seiner Kabine wohnten. Moyano hatte einen langen Oberkörper und vernarbte
Wangen. Über Riveras Hals wand sich eine Tätowierung, die einem länglichen
Dämon glich.
Wie auch
die anderen Männer, die Lytton umgaben, hatten sie langes rabenschwarzes Haar,
das ihnen weit auf den Rücken fiel. Dazu indianische Züge mit ausgeprägten
Wangenknochen und kupferfarbene Haut. Ihr Aussehen bewirkte, dass sich der
blasse alte Mann in seinem eleganten Anzug in einer Art und Weise von ihnen
abhob, die nahezu komisch anmutete. Doch es bestand kein Zweifel darüber, wer
bei der Konversation am Tisch der Südamerikaner den Ton angab.
Das
Einzige, was es außer Wasser zu trinken gab, war russischer Stolitschnaja. Don
goss sich ein weiteres Glas Wodka zur Bekämpfung seiner Seekrankheit ein. Nach
einer Weile fühlte er sich ziemlich betrunken und stand wankend vom Stuhl auf.
Missmutig machte er sich auf den Weg zurück zu seiner Kabine.
In dem
engen Kabuff fühlte sich Don so unendlich ermattet, dass er in seinem Rausch
hörte, wie er zu schniefen begann. Er unternahm einen halbherzigen Versuch,
die Tränen zurückzuhalten, doch er kam sich vor, als befände er sich in einem
endlosen Tunnel.
Um sich zu
beruhigen nahm er zwei Clonazepam, von denen er sich erhoffte, dass sie
innerhalb einiger Minuten alles auslöschen würden. Doch nach ein paar Stunden
saß er immer noch wach da, bis ihm mitten in der Nacht einfiel, dass der Strahl
inzwischen seine Position geändert haben könnte.
Mit einer
vom Alkohol zitternden Hand gelang es ihm, dem Feuerzeug einige Funken zu
entlocken, woraufhin sich das Gas innerhalb eines Augenblicks in eine lodernde
Flamme verwandelte. Er regulierte die Gaszufuhr und nahm Strindbergs Kreuz und
Stern zur Hand. Legte die Gegenstände in die Flamme, bis sich über ihnen ein
weiteres Mal die Sphären abzuzeichnen begannen.
Genau in
dem Moment, als der Strahl nach unten wies, sah Don, dass er jetzt seine Lage
geändert hatte. Im Notizblock vermerkte er die neue Position:
4.
Oktober, 23.20 Uhr lat. 82 Grad 45 Minuten Nord long. 31 Grad 15 Minuten Ost
Als er das
Lineal auf die Karte legte, wurde ihm mit schwindelerregender Deutlichkeit
klar, dass die Öffnung bereits mehr als sechzig Kilometer hinter dem Eisbrecher
lag.
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