Wallentin, Jan
die Leiche des Jünglings wie eine Kuriosität ausstellte. Anfänglich
wurde Mats Israelsson in einem Fass verwahrt, doch später, als der
Publikumsandrang stieg, hatte man ihn senkrecht in eine Glasvitrine gestellt.
Dort stand Mats dreißig Jahre lang außerhalb der Grube und starrte die Besucher
an, selbst Carl von Linne kam vorbei.
Jedes
Frühjahr wurde die Vitrine geöffnet, um das nachwachsende Haar auf seinem Kopf
abzuschneiden, doch ansonsten ließ man den Bergwerksknecht in Ruhe. 1749
schließlich begrub ein gutherziger Pastor Mats Israelssons Leiche unter den
Steinplatten in der Kirche von Stora Kopparberg. Aber ...
Der
Praktikant wurde langsam ungeduldig.
... Anfang
der 1860er Jahre, als der Steinboden der Kirche erneuert wurde, hatte man
Fet-Mats mit ebenso jugendlichem Aussehen wie zuvor wiedergefunden. Dieses Mal
wurde seine Leiche in einen Holzschrein gelegt, den man im Hauptbüro des Kupferbergwerkes
abstellte, wo der Bergwerksknecht bis 1930 lag und langsam einstaubte.
Schließlich wurde er ein letztes Mal begraben und erhielt einen Gedenkstein aus
Granit.
Seit dem
Märztag 1677, als man seine Leiche in den Sarg gelegt hatte, waren mehr als
zweihundertfünfzig Jahre vergangen, und dennoch waren Mats Israelssons Augen
immer noch offen und klar. Einige glaubten, in seinem Blick zeichnete sich ein
gewisses Erstaunen ab. Andere wiederum fanden, dass sich in den Augen des Bergwerksknechts
einzig seine jahrhundertelang währende Trauer widerspiegelte.
»Man
bekommt ja fast Lust zu untersuchen, wie er wohl jetzt aussieht«, sagte der
Praktikant zu sich selbst und klickte den Artikel weg.
Fünfzehn
Sekunden später hatte er die Telefonnummer des Lesers eingetippt, jetzt
allerdings besser darauf vorbereitet, mit ihm über Kupfervitriol und
Obduktionen zu diskutieren. Doch nach mehreren erfolglosen Versuchen gab er
auf. Daraufhin versuchte er die Quelle des Lesers
direkt zu erreichen, also einen Rechtsmediziner in der Pathologie des
Krankenhauses von Falun. Doch dort fertigte ihn ein abweisender Oberarzt mit
dem Hinweis auf die Schweigepflicht ab und legte auf.
Der
Praktikant saß eine Weile da und knackte mit seinen Fingergelenken. Dann fügte
er auf dem Kollegblock einen kurzen Satz hinzu:
Kupfervitriol?
? ?
Möglicherweise
hat die Leiche sehr lange in dem Stollen gelegen.
Wie ging
also die Polizei in dem Fall vor, um herauszufinden, wer der Ermordete war? Der
Praktikant saß lange da und dachte nach, kaute dabei auf seinem Stift herum,
bis er zerbrach, und seufzte angesichts seiner eigenen Untauglichkeit. Dann gab
er einfach den Begriff »Identifizierung« in die Suchmaschine des Internets ein
und schaute resigniert auf die Treffer.
Der Erste
war ein Tipp der Arzneimittelbehörde, bei dem es darum ging, unbekannte
Tabletten und Kapseln zu identifizieren. Er scrollte weiter. Dann, ein Stück
weiter unten: »Blutbanken helfen bei der Identifizierung von Tsunamiopfern«,
ein alter Nachrichtenartikel. Er klickte ihn an und las:
Ein extra
einberufenes Treffen des Reichstags hat gestern Abend beschlossen, das
PKU-Register der Blutbank im Karolinska Krankenhaus für die Identifizierung
von schwedischen Bürgern anzuwenden, die bei der Katastrophe in Asien ums Leben
gekommen sind. Das Register wird vor allem benötigt, um getötete Kinder zu
identifizieren, von denen kein Zahnstatus vorliegt.
Zahnstatus. Das war's. Sie suchten natürlich mittels eines Zahnstatus.
Der
Praktikant spürte, wie seine Kopfschmerzen ein wenig nachließen. Auf diesem
Gebiet besaß er tatsächlich eine ganz persönliche Kontaktperson: Der Vater
eines alten Kumpels aus dem Gymnasium betrieb die private Zahnarztpraxis am
Karlaplan.
Er suchte
die Nummer heraus, rief an und landete an der Rezeption. Kurz nachdem er
weiterverbunden wurde, konnte er das langsam abebbende Kreischen eines
Zahnbohrers erahnen.
»Zahnstatus?
Du ... damit haben wir nichts zu tun. Das machen die Spezialisten im
Rechtsmedizinischen Institut ... und ich habe keine Ahnung, wie weit ihr
Register zurückreicht.«
Der Zahnarzt
klang etwas gestresst.
»Und wie
kann man diese Spezialisten erreichen?«
Er hörte
Schritte, es klang, als verließe der Zahnarzt den Raum hinaus auf den Korridor,
eine Tür wurde zugeschlagen.
»Ja, also
... du musst sie wohl anrufen.«
Der
Praktikant presste die Lippen aufeinander. Doch dann:
»Ach
übrigens ... Du! Ich kenne zufällig einen Typen oben in der Rechtsmedizin - war
schon während des Studiums
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