Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
glaubst du, wenn er uns straft, gingst du leer aus? Du, die du zu uns gehalten, bis zu diesem Augenblick? Kann er dir noch trauen? Trauen, wenn ihm aus deiner Hand der Tod gedroht? Verbannung ist die geringste Strafe, die dir von ihm wird; darum frage ich dich noch einmal: Bist du uns Freundin oder Feindin?«
Rebekka kämpfte einen heftigen inneren Kampf; es war ihr, als stieße sie eine Hand hinterrücks in einen Abgrund, während eine andere Hand sie gewaltsam von diesem Abgrund hinwegriß.
»Antwort!« rief der Priester.
Erschöpft sank die Jüdin auf ihr Lager zurück.
»Gehe!« hauchte ihre zitternde Lippe.
Psenophis entfernte sich durch die geheime Türe, der wie betäubt Dastehenden noch einen Zornblick zuschleudernd. Rebekka empfand die Wahrheit seiner Worte, aber sie war mit sich einig, der König mußte gerettet werden, sollte es auch ihr Untergang sein. Lange sann sie der Sache nach; jetzt verwünschte sie ihren unüberlegten Schritt, jetzt erst trat ihr die Zukunft und die Lage, in welche sie sich durch ihre Leichtfertigkeit verwickelt, mit erschreckender Deutlichkeit vor Augen. Die Worte, welche sie eben vernommen, rissen sie aus dem Phantasieleben, in dessen Wonnen sie sich bis dahin gewiegt, grausam in die nüchterne Wirklichkeit herab. Der schmeichelnde Psenophis wußte ihr das Leben am Hofe so blühend auszumalen, er versprach ihr die Hand hoher Beamten, er wußte den Abgrund, über welchen er sie führen wollte, so sauber zu übertünchen, er erregte ihre Genußsucht, er kitzelte ihre Eitelkeit und sie, das unachtsame Weib, ging in die Falle, ehe sie es bemerkt, hingen ihr die Stricke um die Glieder. Was war ihr eine Verschwörung? Ihr war sie nichts als eine kleine pikante Aufregung ohne schlimme Folgen, ein amüsantes Spiel, das man so neben Wichtigerem her betreibt; nun erst ward ihr klar, daß die Sache auch ihre ernste, sehr ernste Seite haben könne, daß die Wellen, die sie sich selbst erregt, nun über ihrem Haupte zusammenschlagen würden; sie hatte lachend an eine Felswand geblasen, ohne daran zu denken, daß die kleine Erschütterung die Felsmasse zum Niederstürzen bringen könne. In den Versammlungen der Verschwörer hatte sie oft das große Wort geführt, hatte mit ihrem Einfluß auf Ramses geprahlt, hatte Pläne ersonnen, die ihr Bewunderer erworben, und bewundert wollte sie sein, um das übrige kümmerte sie sich nicht. Und jetzt – was gäbe sie darum, wenn ihr Fuß nie den Ort betreten hätte, an welchem die Verräter ihre Anschläge schmiedeten. Wie konnte sie auch ahnen, sie, die leichtlebige Tänzerin, welcher die Liebe bisher ein Kinderspielzeug gewesen, daß ihr das Schicksal dieses Königs so nahe gehen würde! Welch tückischer Gott hatte ihr diese tiefe Leidenschaft ins bewegliche Herz gepflanzt? Jetzt erst empfand sie mit Heftigkeit, wie innig sie dem Herrscher zugetan war, wie er durch seine stille Würde ihr flackerndes Naturell gefesselt, sie gebessert habe, wie seine ernste Ruhe zum Teil auf sie übergegangen war. Sie hatte geglaubt, der Verschwörung sich dadurch entziehen zu können, daß sie vermied, mit den Teilnehmern in Berührung zu kommen, und nun umarmte sie die finstere Macht, der sie längst sich entronnen wähnte, umarmte sie die Tückische aufs neue und rief ihr zu: Du bist uns verfallen! Was sollte sie beginnen? Wie sich diesem Dämon entziehen? War es noch möglich, sich seinem geöffneten Rachen zu entreißen?
Ohne recht zu wissen, was sie in ihrer Betäubung tat, schlich sie sich auf den Zehen zum Schlafgemach des Monarchen, das unweit des ihren lag. Sie eilte durch die Nebengemächer, deren Steinböden mit schlafenden Kriegern bedeckt waren. Vorsichtig flog sie zwischen den Füßen und Armen der Schnarchenden hindurch, wie die Göttin des Traumes. Unbeobachtet gelangte sie in das Schlafgemach des Herrschers; da lag er im Purpurschein der Lampe auf den Polstern ausgestreckt, ruhig atmend, ein Bild männlicher Macht; sein kraftstrotzender Arm war herabgesunken; Majestät lagerte um ihn her, wie ein schlummernder Löwe. Sie betrachtete ihn mit Rührung, drückte hastig einen Kuß auf seine halbgeöffneten Lippen und eilte, wie von den Dämonen des Gewissens verfolgt, weiter. Zufällig kam sie an Menes' Schlafgemach vorüber. Diese Tür erschien ihr, als sie einige Augenblicke davor stehengeblieben, wie die Pforte zum Paradiese. Sie fühlte ihre Angst weichen, sie war erlöst, sie hatte es gefunden, was sie suchte, sie wußte nun, wem sie sich in
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