Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Myrrah! Armer Menes! Und meinen Bruder? . . . Pah! was liegt an ihm. Er ist feig und schlecht.«
Sie ging weiter durch die dunklen Hallen. Ihre Gedanken wurden immer trüber; sie fühlte, daß sie unter Umständen sich selbst das Messer in das Herz gedrückt hatte, indem sie sich dem Willen ihrer mörderischen Verführer entzogen, ihre Anschläge verraten. Ihr ward so leicht und doch so ernst ums Herz! Sie wollte lächeln und mußte weinen. Ein schwermütiger Friede durchhauchte ihre Seele.
»Was tut es,« murmelte sie, auf ihrem Zimmer angekommen, »lasse ich doch mein Leben für ihn, den König aller Könige, den Sohn der Sonne!«
Sie sank schluchzend auf ihr Lager nieder, sie verstand sich selbst nicht mehr, ihr ganzes früheres Leben ekelte sie an, sie hätte ihm entfliehen mögen.
Drittes Kapitel
Menes erwartete unruhvoll den Abend dieses Tages. Er hatte Mühe, nichts von dem, was in ihm arbeitete, zu verraten, als der König, da er sich zur Jagd rüstete, ihn freundlich ansprach, fragend, warum ein so eigentümliches Feuer aus seinen Augen leuchtete. Er gab hastig dem ihn Bestürmenden zu verstehen, daß er den Verschwörern auf der Spur sei, könne aber bis jetzt nichts Näheres darüber sagen.
Der König drang nicht weiter in den Wortkargen, da er ihm zu sehr vertraute. Nichts wollte unserem Menes heute gelingen, er ging in den Sälen des Palastes auf und nieder, unterhielt sich mit den Kriegern, gab den Sklaven zwecklose Aufträge und warf sich dann auf sein Lager nieder, umsonst nach Schlaf verlangend. Der Morgen war unter Nichtstun hingegangen, der Mittag kam mit seiner brütenden Glut. Er eilte an den Nil, ein Bad zu nehmen; das frische, schilfumrauschte Wasser kühlte sein erregtes Blut; als er darauf langsam am Ufer hinwandelte, überlegte er nochmals im Geiste den kühnen Schritt, den er zu tun vorhatte. Einige Benommenheit beschlich ihn freilich, wenn er daran dachte, diesen Verruchten allein gegenüberzustehen, möglicherweise entdeckt zu werden, jedoch die begeisternde Aussicht, der ganzen bübischen Verschwörung endlich auf den Grund zu kommen, zum zweitenmal der Retter des Königs sein zu können, überwog alle Gedanken an Gefahr. Wie er sich so zögernd, mitunter stehenbleibend, nach Theben zurückwendete, bemerkte er vor sich eine leichte Staubwolke, aus der glänzende Gewande hervorwehten. Er hielt an. Es schien ein königlicher Zug zu sein, dem er da begegnete; voraus schritten mehrere Bewaffnete. Inmitten desselben schwankte eine Sänfte, überdacht von schillerndem Schirm, dessen vergoldeter Stab in der Sonne blitzte; die schwarzen Träger waren geschmückt, neben ihnen gingen halbnackte Dienerinnen, den Schluß machten wieder Krieger. War dies die Königin, die in dieser Sänfte ruhte? Menes zog sich hinter den Stamm einer Sykomore zurück; das hohe Gras ringsum verdeckte ihn völlig. Der Zug kam näher; gerade an der Stelle, die sich Menes zum Versteck ausersehen, hielt er an.
»Rastet ein wenig, Asa-Termutis fühlt sich angegriffen,« rief eine Stimme.
Menes sah, wie sich die alte Dienerin Huassa über die offene Sänfte niederbog, besorgt fragend, wie sich die Herrin fühle; er erkannte, als sie sich umwendete, Asa-Termutis. Die Königstochter lächelte müde, sie schüttelte den Kopf, als man ihr Wein anbot. Der Jüngling fühlte das tiefste Mitleid mit der gebrochen auf den Polstern Ruhenden; sie schien von düsterer Schwermut umfangen, kein Wort kam über ihre Lippen, ihr heiterer Schmuck schien ihrem ernsten Gesichtsausdruck Hohn zu sprechen. Eine Handbewegung der Kranken genügte, um den Zug wieder in Bewegung zu setzen; er schwebte wie ein Traumbild vor den feuchten Augen des jungen Mannes vorüber, um am Gestade des Nil zu halten, wo Asa-Termutis auf Anraten des Arztes ein Bad nehmen sollte.
»Sie könnte glücklich sein, Reichtum umfließt sie, Macht umstrahlt sie,« sagte Menes traurig, »und dennoch flieht das Glück von ihr. Wollten es die Götter, daß ich nicht die Ursache ihres Grames bin. Was ist es nur um die Liebe,« grübelte er im Weiterschreiten. »Warum empfinde ich nichts, wenn dieses schöne Weib mir ins Auge sieht, während mich ein Blick Myrrahs durchbebt wie Feuer. Warum sieht dies Königskind mehr in mir, als in jedem anderen Manne.«
Als er den Hof des königlichen Palastes erreicht hatte, trat ihm der von der Jagd zurückgekehrte König in Begleitung eines älteren Mannes entgegen, welcher der Leibarzt zu sein schien. Der Arzt sprach mit
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