Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909
verdienen. Übrigens möcht ich mir für das Kapital ein kleines Häuschen kaufen, vor der Stadt, recht idyllisch gelegen, mit einem netten, großen Atelier.«
»Sehr vernünftig,« lobte Karl.
»Ja,« fuhr Otto erregt fort, wobei er wieder in seinen drollig-ernsten Ton verfiel, »dann könnt ich erst was leisten, ha? Denk dir, so n kleines, in Büschen verstecktes Nestchen, – n kleines Weibchen drin, he? die mir die Haushaltung besorgt und zugleich als Modell dient? Ist das nicht paradiesisch?«
»Ja, warum zögerst du noch ins Paradies zu treten?« fragte der Freund.
»Die irdischen Paradiese erschließt man nur mit Geld!« versetzte Otto lachend.
»Nu – du hasts ja!«
Der Künstler schnitt eine burlesk tragische Grimasse. »Habs eben nicht, Freundchen!« schrie er.
»Was? brauchsts nur vom Anwalt zu holen.«
»Ja – wenn das so einfach wäre!«
»Was ist denn da so Kompliziertes dabei, du unpraktischster aller Rafaels?«
»Verstehst du halt nicht! Sind ganz verwickelte Verhältnisse.«
»Was? Der Meyer wird doch das Geld nicht etwa veruntreut haben?«
»Um Gotteswillen! so was denk ich nicht!«
»Nu – also?«
»Ja, siehst du . . . was mich davon abhält, mein Geld zurückzufordern, ist . . . übergroßes Zartgefühl, oder sagen wir: Dummheit? Ich weiß nicht . . . es wird mir entsetzlich schwer.«
»Ja warum denn?«
»Ich weiß nämlich, daß Anwalt Meyer die dreihundert Mark jährlich sehr gut brauchen kann.«
»Die könnte schließlich Jeder brauchen,« meinte Karl trocken.
»Ja, aber er hat mir schon so Andeutungen gemacht . . . Seine Tochter Natalie kostet ihm viel; seine Frau war lange krank. Seine Praxis geht schlecht, er interessiert sich mehr für Münzenkunde als für seine Prozesse. Möglich, daß er auch seiner Münzenleidenschaft zu große Geldopfer gebracht hat. Kurz, es scheint mir fast, als ob . . .«
»Als ob das Geld knapp wär in der Familie Meyer?« schloß Karl den Satz.
»So ists!« grinste Otto, sich über den roten Hals fahrend.
»Hast du ihm denn schon einmal angedeutet, du möchtest dein Geld zurückhaben?«
»Schon zweimal.«
»Nun? und er?«
»Ich merkte deutlich, daß ihn die Sache sehr fatal berührte. Du kennst ja seine joviale Art . . .«
»Freilich; er hat also in seiner jovialen Art . . .?«
»Ausflüchte vorgebracht. Wie ich mir einfallen lassen könne, der ich von Geldsachen nichts verstehe, auf einmal mein Vermögen zu verwalten! Ein Haus zu kaufen sei ganz verkehrt; da habe ich Steuer zu zahlen; so ein Haus koste jährlich Reparaturen; man wohne da furchtbar teuer, u. s. w. u. s. w.«
Karl schwieg einen Augenblick. »S ist jedenfalls auffallend,« meinte er, »daß der Anwalt Meyer nicht bei deinem ersten, leisesten Versuch, das Geld zurückzuziehen, dir gleich entgegenkam und daß er es so krampfhaft festzuhalten sucht.«
»Du kennst doch die Familie als Hausgenosse!« forschte der Künstler. »Wie leben die Leute denn? Merkst du etwas von besonderer Verschwendung?«
»Ich habe nichts derartiges bemerkt,« versicherte der Gymnasiast. »Übrigens, du kennst ja die Familie selbst. Du unterhälst dich ja alle drei Tage oft stundenlang mit der kleinen Frau Rechtsanwalt?«
Otto ward verlegen und schüttelte sich in seiner Hanswurstenart. »Das ists eben,« kreischte er. »Ich war halt gar zu vertraut mit der Familie. Die junge Frau Rechtsanwalt hat mirs eine Zeit lang n bischen – na ja – angetan. Du weißt: sie ist nicht nur reizend von Gestalt und Gesicht, – sie hat auch ein so fesselndes Benehmen, so was . . .«
»So was Ruscheliches?« fiel ihm Karl ins Wort, »so was wie Rauschgold?«
»Ja ja,« nahm Otto seinen Satz wieder auf; »das läßt sich gar nicht beschreiben, so was Urgemütliches. Man fühlt sich so urbehaglich in ihrer Nähe. Ich war gewiß nicht verliebt in sie, aber ihre Unterhaltung verbreitete eine merkwürdig wohlige Stimmung über meine Nerven.«
»Aha, und deshalb,« bemerkte Karl verständnisvoll lächelnd, »wird dirs jetzt fast unmöglich, der Familie das Geld zu entziehen?«
»Fast unmöglich! Ja!« bestätigte der Künstler. »Ich komme mir vor wie n Räuber, als wollt ich die Leute ins Unglück stürzen.«
»Nu, hör mal! ins Unglück stürzen? Der Rechtsanwalt wird hoffentlich noch über andere Hilfsquellen zu verfügen haben.«
Der Maler zuckte komisch-gequält die Achseln. »Ich komme aus der ganzen Geschicht nicht raus,« seufzte er.
Der Oberprimaner murmelte: »Hm! Das sieht
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