Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909
Ratschläge?«
»Fuchs hat auch an die verdammte Portugiese verloren.«
»Ja, das ist mir aber sehr unangenehm.«
»Na – den Bankdirektor brauche Se net zu bedauern.«
»Nein – für mich ist das sehr schmerzlich – ich hab fast all mein Hab und Gut eingebüßt!«
»Ich auch, ich auch!« log Weihals, der schon ahnte, daß Meyer auf einen kleinen Pumpversuch hinaussteuerte.
»Ach Sie! ein Millionär!« meinte der Anwalt bitter lächelnd.
»Hab aber net das geringste flüssige Geld,« log der geizige Millionär darauf los.
»Ach, wer Ihnen das glaubt,« lachte der Anwalt. »Bei mir ist das was anderes. Ich muß Ihnen gestehen, ich . . . bin direkt in Geldverlegenheit . . .«
»Ich auch, ich auch!«
»Ach – das glaubt Ihnen kein Mensch!«
»Ob Sie mir das glauben oder net, – so ists! Ich werd sehr überschätzt!«
»O, o,« seufzte der Anwalt leise, »ich hatte darauf gehofft, keine Fehlbitte zu tun . . .«
»Ach so? Tut mir unendlich leid. Vielleicht im nächsten Jahr eher . . . s geht werklich net, so leid mers tut. Was brauchte Se denn?«
»Hm – zwanzigtausend Mark.«
Weihals fuhr zurück.
»Puhu . . . ein Vermögen!«
Der Anwalt sah mit solcher Jammermiene unter sich, daß Weihals mit dem Scharfsinn, den die boshaften Dummen oft gerade in Geldangelegenheiten entfalten, erriet, daß hier ein peinliches Geheimnis in der Seele des Gequälten schlummerte. Das war ihm übrigens gerade recht. ›Es ist etwas im Unglück unserer Freunde, was uns nicht unangenehm ist.‹ Dies Wort hatte für den rohen Weihals tiefere Bedeutung. Er konnte kaum ein leises Schmunzeln auf seinem bleichen, dicken Nerogesicht unterdrücken. Er wußte, daß der Anwalt der Vormund Ottos gewesen war, daß er noch dessen kleines Vermögen verwaltete; er wußte auch, daß dies Vermögen gerade ebensoviel betrug. Nun sah er dem finster zu Boden starrenden Anwalt prüfend ins Gesicht . . . Ein böser Gedanke blitzte dem selbstsüchtigen Genußmenschen durchs Hirn. An der Wand, überm Sopha hing das von Ottos Hand gemalte Bild Emiliens. Dies reizende Gesichtchen mit seinen frischen Farben hatte es dem Weibersüchtling schon längst angetan. Zwanzigtausend Mark? eine große Summe, selbst für einen mehrfachen Millionär . . . Aber für das? für die Liebe einer solchen lebendigen Venus? Wer wußte . . .! Wie reizend, wenn er sie zur ständigen Geliebten hätte haben können! Wer läßt sich heutzutage nicht kaufen? Die größten Ehrenmänner beugen sich ja schmeichelnd vorm Geldschrank. Religion, Kunst, Wissenschaft, – pah! alle laufen der goldspendenden Fortuna nach. Für Gold kann der Reiche ja alles haben . . . Emilie schien so kokett, so frei in ihren Ansichten über die Liebe, so ganz modern . . .
»Na,« platzte der Millionär heraus, »ich will mirs mal überlegen. Muß mal Abrechnung halten . . . Ich glaub zwar net, daß ichs mache kann . . . aber ich täts so gern, . . . für Sie . . . für Ihre liebe Frau . . .«
»Um Gotteswillen!« seufzte der Anwalt. »Meine Frau darf davon nichts wissen!«
»Warum net?« fragte Weihals. »Ich meine gerade . . .«
»Nein – um Gotteswillen nicht! sie darf keine Ahnung haben.«
»Ach so. No wie Sie wollen. Ich glaub doch, ich kanns net. Nein! Zwanzigtausend, däs ist zu viel. No – tut mir leid. Lebe Se wohl! . . . Wir sprechen vielleicht noch änmal darüber.«
Er verabschiedete sich hastig und bestieg unten sein bereitstehendes Automobil, das der Anwalt bis in sein Arbeitszimmer heraus schnaufen hörte. –
Natalie hatte nach dem Weggang des Millionenbauers Karl Vorwürfe gemacht, daß er diesen so gehänselt habe.
»Die Dummheit ist heilig,« sagte sie, »man soll nie über sie spotten. Sie ist die geheimnisvollste Gabe Gottes.«
Karl blickte das Mädchen ganz verwundert an.
»Sie werden ja zur wahren Pythia,« sagte er bestürzt.
»Wieso?«
»Weil in Ihrem Ausspruch weit mehr steckt als Sie ahnen. Haben Sie oft so geniale Momente?«
Natalie platzte heraus vor Lachen:
»Ach Sie wollen über mich spotten?«
»Nein,« rief Karl, ganz begeistert. »Ihr Ausspruch entzückt mich deshalb so sehr, weil ich selbst schon beobachtet habe, daß in der echten, rechten Dummheit etwas Mystisches enthalten ist. Die Dummheit steht viel tiefer und inniger mit dem Allgeist telephonisch in Verbindung, als die Gescheitheit. Sie berührt sich daher mit dem Genie. Ja! Genie und Dummheit sind ganz nahe verwandt.«
»Deshalb,« sagte
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