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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Herz klopfte zum Zerspringen. Jetzt ward die Türe ein wenig geöffnet, – der elegant frisierte Kopf seines Vaters mit dem wohlgepflegten Backenbart zeigte sich in der Spalte.
    »Hast du heute viel zu arbeiten?« fragte der Direktor, würdevoll an seiner goldenen Uhrkette spielend.
    »Nein.«
    »Lies mir nicht zu viel im Nietzsche, hörst du? Sonst nehm ich dir die Bücher ab.«
    Die Türe schloß sich. Dem Sohn überfiel ein Schwindel, er mußte sich aufs Bett werfen und weinen.
    Warum kann ich ihn nicht lieben! stöhnte der Unglückliche. Warum kann ich ihn nicht lieben? O . . . o . . . ich kann meinen Vater nicht lieben! entsetzlich! Wie gern möcht ich ihn lieben! aber in mir ist alles hohl . . . leer . . .! Schon das Gefühl, ihm das Leben zu verdanken, ist mir grauenhaft. Er hat ja gewiß auch gute Eigenschaften! Und er zerbrach sich den Kopf, um gute Eigenschaften an ihm zu entdecken. Es gelang ihm auch: sein Pflichtgefühl, seine Gelehrsamkeit, sein Patriotismus . . . Aber immer wieder verzerrte sich das Bild, immer wieder stand ein phrasendreschender, eingebildeter Egoist vor seiner Seele, ein dünkelhafter Stutzer, der im beschämenden Gefühl, nicht das teilten zu können, was er von sich selbst einst erwartet hatte, nun ein verbitterter, hartherziger Großsprecher geworden war.
    Karl blickte mit trüben, leidenden Augen durchs Fenster auf den kleinen Hausgarten, auf die allmählich in den Schatten der Dämmerung versinkende Druckerei. »Pff – Pff – Pff« machte das Dampfrohr. Der weiße Wattballen des Dampfs ward heute nicht so rasch wie sonst vom Wind zerrissen, er verschwebte langsamer im feuchtgrauen Abendduft. Die Setzer hantierten emsig hinter den großen grünlichen Glasscheiben. Wie glücklich sind diese einfachen Leute! dachte Karl, als nun das elektrische Licht aufblitzte und die blauen Blusen deutlicher hinter den Glasscheiben hervortreten ließ. Sie scherzen zwischen ihrer Arbeit, sie machen sich die Arbeit zum Genuß; oder ist das auch nur Larve?
    Nun ward an die Tür geklopft. Sein Freund, der fette, pausbackige Konrad trat ein, mit seinem stereotypen Gruß: »Diverse Schnäpse.«
    »Um Gotteswillen!« fuhr ihn Karl an, »gewöhn dir doch die dumme Redensart ab. Im vorigen Jahre hattest du stets die Phrase: Das schwächt bedeutend!«
    Konrad Stern meinte lachend: »Ich kann nicht anders. Das ist krankhaft bei mir. So ne Redensart hilft über Vieles hinweg; sie ist wie ein saftiger Fluch, doch harmloser.«
    »Nu denn meinetwegen!« gab Körn zurück. »Übrigens . . . gut, daß du kommst. Du sollst mich auf bessere Gedanken bringen.«
    »Wieso?« fragte der aufgeschwemmte Konrad, »was hast du für Gedanken?«
    »Gott! in der Abenddämmerung fällt einem allerlei böses Zeug ein!«
    »Wie stehts denn mit der Anklage?« fragte der Freund.
    »Weiß noch gar nichts! Hab ich dir gesagt, daß Fräulein Dorn den Dr. Simmer besuchen will?«
    »Nein.«
    »Nun, sie tuts also. Mein Vater tut nichts. Dem ists vielleicht recht, wenn ich hinausfliege.«
    Nach einer Pause sagte Konrad: »Sonderbar, daß wir modernen Söhne uns so schlecht mit unsern Vätern vertragen!«
    »Ja,« meinte Karl, »fast in jeder Familie gibts Konflikte zwischen Vater und Sohn. Es ist förmlich eine Zeitkrankheit!« Er starrte düster durchs Fenster. Beinahe hätte er dem gutmütigen Kameraden einen tieferen Blick in sein gequältes Inneres gewährt; er hielt es aber doch für besser zu schweigen.
    Nach einiger Zeit fragte Konrad: »Hast du jetzt das theosophische Werk gelesen?«
    »Ja; sehr schön! Nur schade, daß sich das alles noch nicht wissenschaftlich beweisen läßt. Bis jetzt ists nicht viel mehr, als schöne Phantasie, allerdings hats n bischen mehr Beweiskraft als die Kirchenreligion, aber nicht viel. Nu, vielleicht in hundert Jahren . . . Gib acht, setz dich dahin. Ich will dir meine neuesten Tagebuch-Aufzeichnungen vorlesen.«
    »Nur zu!« sagte Konrad, und ließ sich auf einen Stuhl nieder, während Karl, auf dem Bettrand sitzend, ein großes blaues Heft aus der Tischschublade zog. Da es bereits stark dunkelte, zündete er sein kleines Studierlämpchen an und begann zu lesen.
    – Ach, ich fürchte, wir wissen eigentlich ganz genau, was wir sind, woher wir kommen, wohin wir gehen; wir habens nur vergessen. In der Kunst dämmert uns zuweilen eine Erinnerung.
    »Das ist Theosophie!« unterbrach ihn Konrad erfreut.
    »Hab ich selbst nicht mal gemerkt,« sagte Karl. »Aber hast recht! Es geht

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