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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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aufatmend, »das können Sie verlangen. Herr Doktor, ich danke Ihnen einstweilen im Namen meines Schützlings.«
    Sie erhob sich.
    »Was würde auch sonst aus ihm werden,« bemerkte er noch, »wenn er jetzt aus dem Gymnasium gestoßen würde? – Ein Litterat!« setzte er verächtlich hinzu.
    »Hoffentlich bringt ers, wenn er im Gymnasium bleibt, – zum Professor!« Sie hatte das letzte Wort mit derselben Verachtung herausgestoßen.
    Er errötete leicht. Dann reichte er ihr die Hand. »Ich muß gestehen,« sagte er höflich, »ich hegte allerlei Vorurteile gegen Sie. Schriftstellernde Damen werden ja so leicht von der Klatschsucht verfolgt. Ich freue mich indes, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Sie widerlegen von selbst alle bösen Gerüchte.«
    »So geht es immer im Leben!« versetzte sie mit liebenswürdigem Lächeln. »Wir horchen zu viel auf die schablonenhaften Meinungen der Welt. Die Theologen sind ja auch meist nicht halb so fanatisch und beschränkt, als sie in den Augen der Liberalen erscheinen.«
    Er empfand den leisen Stich, nickte mit etwas verdutztem Lächeln und entließ sie. Trotz ihres Erfolges ging sie mit schwerem Herzen, denn sie zweifelte, daß der eigensinnige Karl den Theologen persönlich um Verzeihung bitten werde.
    Dr. Simmer aber setzte sich an seinen Pult und schrieb einen langen Brief, in dem er die Staatsanwaltschaft aufforderte, den Roman: »Finstere Dämonen« von Emma Dorn als ein höchst unmoralisches Werk in Beschlag zu nehmen. Das war seine Rache. Seinem Beleidiger mußte er aus christlicher Nächstenliebe verzeihen; wenn er aber den Denunzianten spielte, war das schließlich doch auch ein Gott wohlgefälliges Werk und der Staatsanwalt durfte ja seinen Namen nicht nennen. Er nahm sich übrigens vor, den ihm von seiner Studienzeit her persönlich bekannten öffentlichen Ankläger zu besuchen und ihn zu bitten, doch ja dafür zu sorgen, daß sein Name dabei nicht ins Spiel komme. Auch dem Direktor gegenüber wollte er jetzt ein anderes Gesicht aufsetzen; er wollte den Roman des Fräuleins sogar loben und ihn für harmlos erklären. Das mußte den Verdacht des Denunziantentums gewiß von ihm ablenken.

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    9.
    Direktor Körn saß gegen fünf Uhr in seinem Arbeitszimmer und las den Roman ›Finstere Dämonen‹. Das Werk ergriff ihn. Er hatte eine solche Darstellungskraft überhaupt keinem Frauenzimmer zugetraut. Er las schon zwei Stunden hindurch. Aber mit echt deutscher Nörgelsucht strebte er den starken Eindruck, den das Buch in seiner Seele hervorgebracht, zu zerstören. Er wäre ja kein deutscher Schulmeister gewesen, wenn er sich innerlich eingestanden hätte: Das ist echte Poesie! Als sein Sohn Karl eintrat, hielt er diesem sogleich einen ästhetisch kritischen Vortrag über das Werk, in dem er allerlei kleine Stylunebenheiten zu großen Fehlern aufzubauschen, überhaupt die ganze Handlung als unmöglich hinzustellen suchte.
    Karl widersprach, da er deutlich merkte, daß dem Vater das Werk stark imponiert hatte, mit Heftigkeit. Der Direktor führte allerlei ästhetische Gesetze ins Feld, – Karl verlachte diese alten Regeln. Der Direktor tadelte immer erboster, verrannte sich immer mehr in unhaltbare Theorien und Angriffe. Karls Haß fing von Neuem an zu gähren. Er sah wieder einmal nicht den Vater vor sich, sondern den pedantischen Silbenklauber, den verbissenen Schultyrannen, der darüber empört war, daß ein nicht akademisch gebildetes Geschöpf eine gewandte Feder zu führen, Geist und Phantasie zu zeigen wagte; der es nicht einsehen wollte, daß ein einziger Geistesblitz aus eigenem Hirn, tausend aus anderer Leute Gehirn übernommene aufwog. Der Vater glaubte: weil er mit den Gedanken eines Aristoteles, eines Göthe, Schiller, Kant hausieren ging, sei er selbst ein Göthe oder Kant. Diese eigentlich dummdreiste Anmaßung empörte den Sohn deshalb noch mehr, weil sie sich jetzt auf ein Werk seiner verehrten Emma Dorn erstreckte.
    Karl hörte ihn eine Weile schweigend an. Dann fragte er plötzlich: »War Bismarck ein Menschenkenner oder nicht?«
    »Einer der größten!« gestand Körn verblüfft zu.
    »Nun Bismarck behauptet, das deutsche Nationallaster sei der Neid!«
    Mit diesen Worten verließ er das Zimmer, auf diesen kräftigen Abgang innerlich stolz.
    Körn errötete. Er mußte sich gestehen, daß er dem Roman unrecht getan, daß er ihn absichtlich herunterzureißen gesucht hatte.
    Er ließ den Sohn durch das Dienstmädchen wieder hereinrufen und begann

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