Walter Ulbricht (German Edition)
Lokomotive Leipzig Fußball spielen?«
Ich erzählte von den Aussichten, die ich in Aue hätte.
»Bei uns wohnst du im Internat, hast alles frei, bekommst kostenlos die notwendige Sportbekleidung und ein Stipendium von 260 Mark.«
Ich war sprachlos.
»Hier hast du ein Direktstudium, in Aue nicht«, setzte Bock nach.
Vielleicht war ein Sportstudium wirklich interessanter als ein Bergbaustudium? Außerdem gab es 60 Mark mehr!
Allerdings hatte ich keine Ahnung, was die DHfK für eine Einrichtung war, was dort passierte und dergleichen. Bock erteilte Nachhilfe: Die Hochschule gäbe es seit dem 22. Oktober 1950, initiert habe sie Ulbricht persönlich, und der Schwerpunkt läge auf der Ausbildung von Sportlehrern. Im Juli wäre nach zwei Jahren Ausbildung der erste Jahrgang in die Praxis entlassen worden, der jetzige Studiengang dauere bereits drei Jahre oder sechs Semester.
Ich fuhr nicht nach Aue und schrieb mich in Leipzig ein.
Daheim machte ich mich schlau. Der Schwager meines Fußballfreundes Werner Noack hatte bis vor kurzem in der FDJ-Kreisleitung Spremberg gearbeitet, inzwischen war er Sekretär des Zentralrats und Mitglied des Weltjugendrates, und obendrein saß er auch noch im Brandenburger Landtag. Ich frage also diesen Oskar Fischer, ob er mir etwas zu dieser hohen Schule in Leipzig sagen könne. Konnte er. Er packte mir das Gesetz über die Teilnahme am Aufbau der DDR und die Förderung der Jugend in Schule, Beruf, bei Sport und Erholung auf den Tisch, eine Entschließung des ZK der SED über die Aufgaben auf dem Gebiet der Körperkultur und des Sports vom 19. März 1950, ein Sportecho mit einem Bericht über die Grundsteinlegung und handschriftliche Aufzeichnungen, die er selber auf der 2. Parteikonferenz angefertigt hatte …
Was soll ich damit, fragte ich erstaunt, ob er mir nicht das Wichtigste in Kürze sagen könne. Oskar griente.
Wir brauchen Sportlehrer und Trainer, sagte er. Und zitierte Ulbricht aus dem Sportecho : »Die Grundsteinlegung dieser Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport ist ein bedeutendes Ereignis für ganz Deutschland, denn diese Hochschule soll die wissenschaftliche Arbeit entwickeln, die für die Körperkultur und Sportbewegung im künftigen einheitlichen, friedlichen und demokratischen Deutschland richtungsweisend sein wird.« Ich verstand nur Bahnhof.
In Köln gibt es seit 1947 eine Sporthochschule, die von Carl Diem geleitet wird. – Ich zog die Schultern hoch.
Mann, das ist ein alter Nazi. Der hat 1936 die Olympischen Spiele in Berlin organisiert und noch am 18. März 1945 in einer flammenden Rede Hitlerjungen im Kuppelsaal des Berliner Olympiageländes zu einem »finalen Opfergang für den Führer« aufgefordert. In den folgenden Tagen starben in der Nähe des Reichssportfeldes und an den Pichelsdorfer Brücken beidseits der Heerstraße Hunderte Jugendliche bei dem Versuch, sowjetische Panzerverbände mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten aufzuhalten.
Und der ist jetzt Chef der Sporthochschule in Köln und erzieht junge Leute? Ich konnte es nicht glauben.
Verstehst du nun, warum wir hier einen anderen, antifaschistischen Neuanfang machen müssen, sagte Oskar.
Ja, schon, antwortete ich, aber ich will doch nur Sport treiben.
Wenn du studierst, musst du nicht nur die Muskeln, sondern auch das Hirn trainieren. Immer fragen, warum was gekommen ist, wie die Zusammenhänge und Hintergründe sind.
Na, warten wir’s ab, dachte ich.
Am 15. April 1953 herrschte große Aufregung an der Schule. Ulbricht kam und erkundigte sich nach dem Fortgang der Bauarbeiten und den Fortschritten bei der Entwicklung der Lehre. Im Audimax sprach er zu uns Studenten und den Lehrkräften. Dabei ging es ihm vor allem um Erziehungsfragen. Als wenn er sich mit Oskar abgesprochen hätte, kam er darauf, dass es keine Trennung geben dürfe zwischen der fachlichen Ausbildung im Unterrichts- und Trainingsprozess einerseits und der politisch-moralischen Erziehung andererseits. Das müsse als ein einheitlicher Vorgang gesehen werden. In diesem Kontext fielen Worte wie Patriotismus und Liebe zur Heimat.
Ulbricht kam noch einige Male nach Leipzig, er hatte offensichtlich großes persönliches Interesse, dass hier etwas Ordentliches entstand, was weit in die Zukunft reichen würde. Auch wenn er jedes Mal betonte, dass der Massen- und Breitensport nicht vernachlässigt werden dürfe, schließlich sei er wesentlich für die Volksgesundheit, so wurden doch in erster Linie an der DHfK die
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