Walter Ulbricht (German Edition)
das kulturelle Leben entwickelte sich unermüdlich! Viele Bürger entdeckten für sich die bildende Kunst, andere das Lesen, die Theater oder die Laienkunst. So entstand Lust auf Kultur und die Künste! Die Festspiele in den Betrieben, die Dorffestspiele, die Tage der Kultur in Stadt und Land brachten viele Talente hervor. Heute scheint mir diese Entwicklung wie ein Traum von einer anderen, besseren Welt, die wir in der DDR zum Teil geschaffen hatten. Heute wird alles immer privatisiert, und Geld bestimmt letzten Endes über die Kultur. So bleiben immer mehr Werte und humanistische Ideale auf der Strecke.
Damals vor fünfzig Jahren folgten viele Künstler dem Ruf der Partei. Sie erkundeten das Leben, suchten den neuen Menschen und fanden viele sozialistische Helden, großartige Menschen. Aber dabei entdeckten sie – gemäß unseren Lehren – unendlich viele Widersprüche, die das sozialistische Leben in seinen Äußerungen zeigte. So entstand ein großer Reichtum an neuer Kunst, an Bildern und Kompositionen, an Büchern und Filmen, an Fernsehspielen und Theaterinszenierungen usw. Darunter sind nicht wenige, die heute noch die Menschen bewegen.
Damals herrschte zwischen Ost und West, zwischen zwei verschiedenen Weltsystemen, ein erbitterter Klassenkampf. So kam es zur 11. Tagung des ZK der SED, wo leider Filme wie »Spur der Steine« oder »Das Kaninchen bin ich« u. a. verboten wurden. Ein Teil der Filmemacher wollte die Widersprüche überwinden helfen, wollte für den Sozialismus das Beste, aber hier nun wurden Fehler begangen, die dem Ansehen der Partei und des Staates schadeten und Folgen nach sich zogen, die dem Sozialismus nicht gemäß waren. Nicht wenige Künstler wurden enttäuscht, gerieten in Schwierigkeiten, und einige gingen fort.
Leider brachten Walter Ulbricht und das Politbüro nicht die notwendige Geduld und Toleranz auf. Auch das Ansehen von Ulbricht wurde beschädigt. Trotzdem bleibt es eine Tatsache, dass er ein großer Förderer der Kultur war, denn in seiner Zeit entstand die reiche Kulturlandschaft der DDR, um die uns viele in der Welt beneideten.
III.
Pflegte Walter Ulbricht freundschaftliche Beziehungen zu Künstlern? Sicherlich! Er hatte viele Kontakte zu antifaschistischen Kulturschaffenden, das ergab sich aus dem gemeinsamen Kampf gegen Faschismus und Krieg. Feststeht auch, dass er zu den Intellektuellen seiner Generation, z. B. zu Johannes R. Becher und Willi Bredel, Friedrich Wolf und Erich Weinert, beste Verbindungen hatte. Es ist nur zu natürlich, dass Freundschaften vor allem durch gemeinsame Erlebnisse und Kämpfe entstanden.
Eine wichtige Freundschaft verband Walter Ulbricht mit Johannes R. Becher. Diese dauerte über drei Jahrzehnte und begann 1933 in der Emigration in Moskau. Als der Präsident des Kulturbundes, Max Burghardt, 1961 Walter Ulbricht die Johannes-R.-Becher-Medaille überreichte und wir ungezwungen in kleinem Kreis zusammensaßen, plauderte Ulbricht über diese enge Verbundenheit. Er hob hervor, dass es sehr fruchtbare und schöpferische Beziehungen waren, dass sie oft sehr ergiebige Debatten geführt und voneinander außerordentlich wichtige Erkenntnisse gewonnen hätten. Der Dichter hätte vom Politiker und umgekehrt der Politiker viel vom Dichter gelernt. Ulbricht erzählte uns, dass Becher – wie viele andere Künstler auch – ein sehr sensibler und empfindsamer Mensch gewesen sei, der oft bei ihm Rat gesucht hätte. Andererseits habe sich der Schriftsteller und Kulturpolitiker außerordentlich intensiv mit der deutschen geistesgeschichtlichen Entwicklung beschäftigt, um daraus Lehren für den Neuaufbau eines anderen, humanistischen Deutschlands zu ziehen.
Viele Schriften des Autors – seine Deutschland-Dichtung, seine »Deutsche Lehre« – aus den 30er und 40er Jahren würden u. a. dies bezeugen. Johannes R. Becher habe ihm – seinem Freund Walter – die bedeutende Rolle der deutschen Klassik vor Augen geführt. Auch müssten Fragen der Bildung und der Kultur im zukünftigen Deutschland eine besondere strategische Rolle spielen. Bei der Ausarbeitung entsprechender Programme für eine demokratische Erneuerung des deutschen Vaterlandes hätte es nur Übereinstimmung und Gemeinsamkeiten gegeben. Nach der Befreiung vom Faschismus im Mai 1945 sei Johannes R. Becher der mutige Voranschreiter gewesen, der viele Wissenschaftler und Künstler des Bürgertums beeinflusst hat. Sein Wirken sei für uns, für die Arbeiterbewegung ein großes Glück
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