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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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Schiedsrichter in der Auseinandersetzung unter den Juristen, sondern gab ihnen Gelegenheit, selbst eine Lösung zu finden.
    Die Entwicklung des Wissenschaftsgebietes Kriminologie, einer Kriminologie auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus, wurde durch die Babelsberger Konferenz gefördert. 3
    Ulbricht war konstruktiv und bot Ideen, die umzusetzen oft nicht leicht war, etwa die Vergenossenschaftung der Landwirtschaft. Er wusste um die Probleme der Kollektivierung in der UdSSR. Deshalb trat er für den freiwilligen Zusammenschluss der Bauern ein und unterstützte schrittweise Formen der Vergenossenschaftung, indem drei verschiedene Typen von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) geschaffen wurden, in denen die Vergesellschaftung von Land, Vieh und Geräten unterschiedlich erfolgen sollte. Dazu gehörte, dass der den Bauern als Eigentum gehörende Grund und Boden – de jure und so im Grundbuch – auch ihr Eigentum blieb. Lediglich die Bewirtschaftung erfolgte kollektiv. Diese Regelung spielte nach 1990 und in der bundesdeutschen Rechtsprechung eine große Rolle.
    Später trat Ulbricht dafür ein, die kleinen Gewerbetreibenden, insbesondere Geschäftsleute, als Kommissionshändler in den sozialistischen Einzelhandel und Firmenbesitzer durch Ankauf von Unternehmensanteilen (»halbstaatlich«) in die sozialistische Volkswirtschaft zu integrieren. Die Unternehmer blieben Leiter ihrer Betriebe und leisteten, auch für den Außenhandel, Bedeutendes. 4 Diese Entscheidung war nicht zuletzt aus bündnispolitischen Erwägungen von erheblicher Bedeutung.
    Zu den weitreichendsten staatspolitischen Leistungen Ulbrichts gehört – aus meiner Sicht – die Schaffung eines »kollektiven Staatsoberhaupts«, des Staatsrats. Die Mitglieder dieses Gremiums wurden von der Volkskammer gewählt und waren ihr gegenüber verantwortlich. Er wirkte als demokratisches Organ zwischen den Sitzungen des Parlaments und war auf Gebieten tätig, die nicht zur Kompetenz des Ministerrates 5 gehörten, etwa für die Beziehungen zwischen Bürger und Staat, zwischen den örtlichen Volksvertretungen und dem Parlament und nicht zuletzt für die Rechtspflege, ohne in deren Eigenständigkeit einzugreifen. Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung blieb bestehen.
    Die von der Volkskammer gewählten Richter des Obersten Gerichts (OG) und der Generalstaatsanwalt mussten sich den Fragen und Kritiken des Staatsrates stellen, ohne die von der Verfassung gesicherte Unabhängigkeit der Richter und die Selbständigkeit der Staatsanwaltschaft zu beeinträchtigen.
    In diesem Sinne wurde am 4. April 1963 der »Erlass des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege« 6 beschlossen. Damit wurde ein neues Kapitel zur Entwicklung einer modernen demokratischen Rechtspflege begonnen. Die dort fixierten Prinzipien fanden auch in der DDR-Verfassung von 1968 ihren Niederschlag.
    Der Staatsrat veranlasste ferner die Ausarbeitung des Strafgesetzbuches, dessen Entwurf öffentlich diskutiert wurde und darum auf breiter demokratischer Basis zustandekam – ein fundamenaler Unterschied zur Praxis in der Bundesrepublik, wo die Öffentlichkeit grundsätzlich nicht an der Ausarbeitung und Vorbereitung von Gesetzen beteiligt wurde und wird. Für die Ausarbeitung des neuen DDR-Strafgesetzbuches war eine Kommission des Staatsrates, nicht des Justizministeriums verantwortlich, auch wenn die Justizministerin Hilde Benjamin den Vorsitz in dieser Kommission führte.
    Die Ausarbeitung der 68er Verfassung und die Entwicklung der Rechtspflege in der DDR stehen in einem engen und spezifischen Zusammenhang. Die durch Volksentscheid angenommene Verfassung war von elf Millionen Bürgern in einer großen Volksaussprache diskutiert worden. Über 12.000 Vorschläge wurden eingereicht, die zu 118 Änderungen des ursprünglichen Textentwurfes in der Präambel und in 55 Artikeln führten. In Abschnitt 1 wurden die politischen und ökonomischen Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft in der DDR verfassungsrechtlich definiert. Die Volkswirtschaft der DDR beruhte danach auf dem sozialistischen Eigentum an Produktionsmitteln, welches im einzelnen präzise definiert wurde, wobei dem Volkseigentum der zentrale Platz zukam. Daraus folgte: Die Bürger der DDR, das Staatsvolk der DDR, waren kollektive Eigentümer der natürlichen und ökonomischen Ressourcen und Werte. Sie waren daher die Inhaber und

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