Walzer der Liebe
Haus herübereilte, der Mr. Carlyle auch nur im Entferntesten glich, entspannte ich mich. Wahrscheinlich war er gar nicht daheim. Folglich mussten wir uns keine Sorgen machen.
Sie können sich meine Überraschung vorstellen, als ich direkt unter mir seine Stimme hörte. Mehr noch, hätte ich mich nicht an der Mauer festgeklammert, wäre ich bestimmt auf ihn gestürzt.
„Auf frischer Tat ertappt, Mylady, Miss Ames", rief er und trat einen Schritt zurück, damit er uns sehen konnte.
Er hatte die Hemdsärmel aufgerollt und trug eng anliegende Breeches. Sein dunkles Haar war zerzaust. Er bückte sich und legte eine Papierrolle auf die Erde. Ich fragte mich, ob das die Skizzen für das Gartenfest seien.
„Wie soll ich Sie Spitzel bestrafen?" fragte er, stemmte die Hände auf die Hüften und schaute uns mit finsterer Miene an.
Ich nahm an, er sei ein wenig verärgert, doch Rosalind lachte nur.
„Wenn Sie so geheimnisvoll tun, Sir", antwortete sie und drohte ihm mit dem Zeigefinger, „dann ist es auch kein Wunder, dass Miss Ames und ich neugierig geworden sind. Erzählen Sie uns, was Sie mit dem Rosengarten vorhaben. Er ist schön, so wie er jetzt ist. Ich hoffe, Sie beabsichtigen nicht, die Rosen ausgraben zu lassen, damit Sie den Bach umleiten oder sonst irgendeine Verrücktheit tun können."
„Wenn Sie das nicht wollen, werde ich es natürlich unterlassen. Und Sie, Miss Ames? Was möchten Sie sehen?"
„Ich weiß es nicht", antwortete ich leichthin. „Ein seidenes Zelt aus goldenem Stoff? Einen Brunnen, aus dem Champagner fließt?"
„Aber nun lassen Sie mich Ihnen herunterhelfen", schlug Mr. Carlyle vor und streckte die Arme aus. „Ich werde Sie herumführen. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, da Sie so neugierig sind. Sie müssen mir jedoch versprechen, niemandem ein Sterbenswörtchen zu verraten."
Ich war keineswegs überrascht, als Rosalind Mr. Carlyle in die Arme sprang, ohne darauf zu achten, wie viel sie dabei von ihren seidenbestrumpften Beinen enthüllte. Ich hingegen zögerte.
„Kommen Sie! Ich lasse Sie nicht fallen", befahl er. Sein Blick war so herausfordernd, dass ich es unmöglich fand, mich zu weigern.
Ich rückte an den Rand der Mauerkrone vor und ließ meine Beine herunterbaumeln, ehe ich mich abstieß. Mr. Carlyle fing mich geschickt auf, so mühelos, als würde ich nicht mehr denn eine Feder wiegen. Einen Moment lang hielt er mich eng an sich gedrückt, ehe er mich auf die Füße stellte. Ich versuchte, gleichmäßiger zu atmen und zu vergessen, wie seine meine Taille umspannenden Hände sich angefühlt hatten.
„Wie ich sehe, waren Sie wieder in der Sonne", sagte er. „Schämen Sie sich! Sie sind ganz braun."
Wir blickten einander an, und erst als ich Rosalind mit den Röcken rascheln hörte, fiel mir auf, dass ich nicht mit ihm allein war. Und noch etwas kam mir ins Gedächtnis zurück - und zwar, dass er sehr wohl der Verfasser der anonymen Briefe sein konnte. Der Mann, der da mit diesem rätselhaften Ausdruck in den Augen vor mir stand, mochte derjenige sein, der all diese abscheulichen, ekelhaften Anschuldigungen gegen meine Eltern vorgebracht hatte. Die Erinnerung daran bestärkte mich in meinem Vorsatz. Ich senkte die Lider und trat einige Schritte von ihm zurück, entschlossen, ihn nur mit kühler Höflichkeit zu behandeln, ganz gleich, wie sehr er mich necken oder provozieren mochte.
Er reichte Lady Beech und mir je einen Arm, und wir brachen zu der hinter dem Haus gelegenen Terrasse auf. Derweil wir den Arbeitern, den Hölzern und verschiedenen Karren auswichen, ließ unser Gastgeber einige kärgliche Informationen fallen. Ich fand ihn sehr klug.
Denn trotz all seiner netten Worte teilte er uns sehr wenig mit.
Als wir schließlich bei Limonade und Fruchteis auf der Terrasse saßen, wusch Lady Beech ihm seiner Verschwiegenheit wegen den Kopf. „Nun, gleichviel!" fügte sie hinzu. „Ich bin sicher, Miss Ames und ich können bis zu dem fraglichen Abend warten."
„Sind Sie so sicher, dass Sie eingeladen werden?" murmelte Mr. Carlyle, während er uns Limonade nachschenkte. „Sie beide?"
Rosalind schnaubte verächtlich. „Falls wir nicht eingeladen werden, setzen wir uns auf die Mauer, wo Sie uns gefunden haben, und geben laute, unhöfliche Kommentare über das Geschehen im Garten und Ihre Gäste von uns."
„Ich wäre im Recht, wenn ich Sie dann von dort entfernen lassen würde. Das ist meine Mauer, nicht Ihre. Aber keine Angst, Mylady. Die Einladungen für
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