Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
standhalten, doch wie auch immer, als er sie so sah, wollte er nur eins – sie in seine Arme reißen und wie rasend küssen.
Stattdessen führte er sie in einen kleinen Salon, stellte das Tablett – hocherfreut, weil er nicht einmal einen Tropfen Milch verschüttet hatte – zwischen zwei eleganten Sofas auf ein Tischchen, das sonst dem silbernen Teegeschirr und feinstem Porzellan vorbehalten war, und bedeutete Nicole, sie möge sich setzen.
„Gleich“, erwiderte sie. Sie trat zu dem Kamin mit dem großen Porträt darüber. „Das bist du, nicht wahr? Hatte dein Vater dir die Hand voller Stolz auf die Schulter gelegt oder weil er verhindern wollte, dass du ausreißt?“
„Zu meiner Verteidigung – es war herrliches Wetter, und ich wäre viel lieber mit meinen Hunden draußen herumgetollt, anstatt zu posieren.“ Lucas stellte sich neben sie. „Ich erinnere mich noch genau daran, wann dieses Bild entstand. Mein Vater war gerade von einer heiklen diplomatischen Mission aus Russland und Kopenhagen zurückgekehrt. Über ein Jahr war er im Namen der Krone fortgewesen und war ziemlich stolz auf das, was er erreicht hatte. Im folgenden Monat sollten wir nach London reisen, denn wie es hieß, wollte ihn der König persönlich für seine hervorragende Arbeit auszeichnen. Es ging sogar das Gerücht, dass man ihn als Premierminister in Betracht zöge.“
„Das klingt sehr beeindruckend, obwohl ich, zugegeben, nicht die eifrigste Schülerin im Geschichtsunterricht war. Lydia würde vermutlich sofort wissen, worum es da ging. Du musst sehr stolz auf deinen Vater gewesen sein. Und fuhrt ihr nach London?“
Lucas schüttelte den Kopf, nahm Nicole bei der Hand und führte sie zu einem der Sofas. „Nein, drei Wochen nach Fertigstellung des Porträts schloss mein Vater sich in seinem Arbeitszimmer ein und schoss sich eine Kugel in den Kopf.“
„Lucas! Das tut mir leid.“ Mitfühlend fasste sie ihn beim Arm, schaute dann erneut zu dem Porträt hinauf. „Aber … aber ihr seht so glücklich aus darauf. Und deine Mutter?“
„Sie lebt in Basingstoke Hall, geht nicht mehr in Gesellschaft; sie hat sich nie richtig davon erholt. In mancher Hinsicht ist es auch mir nicht gelungen. Nicole, eigentlich sollte ich dich nicht beeinflussen, aber ich fand, du müsstest dieses Bild sehen, sehen, wie meine Familie war. Es entschuldigt nicht mein Verhalten, zeigt aber den Grund dafür.“
Ihr schlichtes Mahl blieb unberührt, während er ihr erzählte, was seinem Vater widerfahren war. Und sie hielt seine Hände, blieb stumm und fragte nichts, sondern hörte nur zu. Irgendwie fiel es ihm so leichter, ihr alles zu sagen.
Als er geendet hatte, ließ sie ihn los und trocknete sich mit einem Zipfel der Schürze die Augen. „Und man glaubte wirklich, dass dein Vater an diesem Komplott gegen den russischen Zaren beteiligt war? Zum Zeitpunkt des Anschlags war er doch nicht einmal mehr dort.“
„Natürlich, aber man fand schriftliches Material, mit dem man meinen Vater in Zusammenhang brachte. Er wurde nach London beordert, um auf die nicht öffentlich vorgetragenen Anklagen einzugehen. Weiß der Himmel, er hätte gehenkt werden können. Er tötete sich, um seine Familie nicht in einen Skandal zu verwickeln. Bis vor einem Jahr hielt ich ihn für einen Verräter und obendrein für einen Feigling, weil er diesen Ausweg wählte. Ich hasste ihn für das, was er uns angetan hatte.“
„Was geschah denn vergangenes Jahr?“
„Ich will dich nicht damit langweilen, den Brief auszukramen, den ich erhielt. Anonym natürlich. Dem Schreiber zufolge war mein Vater unschuldig und nur vorgeschoben worden, um eine andere Person zu schützen, aber es wäre bestimmt zu einer öffentlichen Anklage gekommen, und er hätte mit einer Verurteilung rechnen müssen. Das heißt, er hatte sich nicht aus Feigheit selbst getötet, sondern tapfer den Tod gesucht, um seine Familie vor Schmach zu schützen. Das ganze vergangene Jahr habe ich versucht, herauszufinden, wer den Brief schrieb und warum.“
Nicole schmiegte ihren Kopf an seinen Arm. „Ich wäre verrückt geworden“, flüsterte sie. „Wie hältst du das aus?“
Es war die richtige Frage, um ihn alles andere auch erzählen zu lassen. Einen Moment legte er seine Wange auf ihr Haupt, sammelte Mut, denn war das Vorherige schon schwer genug auszusprechen gewesen, so fiel ihm der Rest nur noch schwerer. Würde er sie damit ganz vertreiben?
„Du hast noch gar nichts gegessen“, tadelte er
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