Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
Holz und Borkestücke lagen über den Weg hin zerstreut, andre dagegen tanzten noch auf dem flimmernden See, der im übrigen, all diesem Flimmern und Schimmern zum Trotz, einen tiefen Ernst und nur Einsamkeit und Stille zeigte. Nirgends ein Fischerboot, das Netze zog oder Reusen steckte, ja kaum ein Vogel, der über die Fläche hinflog. Oft hielt ich an, um zu horchen, aber die Stille blieb, und ich hörte nichts als den Windzug in den Binsen und das leise Klatschen der Wellen.
Und endlich auch die Schläge, die vom Pieskower Turm her zu mir herüberklangen. Ich zählte zwölf, es war also Mittag, und ehe der letzte noch ausgesummt hatte, war ich auch schon bis an die Stelle heran, wo mein Fußweg in die vorerwähnte Saarower Dorfgasse mündete.
Dicht am Eingange saß ein Mütterchen auf einem Strauch- und Reisigbündel, das sie sich aus der Heide geholt, und grüßte mich. Alte Weiber sollen kein Glück bringen, aber wenn sie freundlich sind und einem einen »Guten Tag« bieten, so hat es mit der ganzen Jägerweisheit nicht viel auf sich. Und so blieb ich denn auch stehen und sagte: »Na, Mutterchen, is wohl ein bißchen schwer? Und die Sonne sticht heut so. Sie müssen die Kinder in den Wald schicken. Oder haben Sie keine?«
»Woll, Kinner hebb ick un Enkelkinner ook. Awers se wulln joa nich. Un se künn' ook nich. Se möten joa all in de School.«
»Ja, ja. Alles muß in die Schule. Haben Sie denn auch 'ne Kirche in Saarow?«
»Nei. Wi möten nach Reichenwald.«
»Richtig. Ich erinnere mich. Das ist da, wo sie den alten Rittmeister begraben haben. Haben Sie den noch gekannt?«
»O wat wihr ick nich? He wihr joa so in mine Joahr. Woll hebb ick em kennt.«
»Und wie war er denn?«
»Na, he wihr joa sowiet janz goot. Bloot man en beeten schnaaksch un wunnerlich un ok woll en beeten to sihr för de Fruenslüd. Awers nu is he joa dod.«
»Und hat wohl ein Denkmal? Ich meine so was von Stein oder Eisen. Eine Figur oder einen Engel mit 'nem Spruch oder Gesangbuchvers.«
»Nei. För so wat wihr he nich.«
»Und is sonst noch was in Saarow zu sehn?«
»Ick glöw nich. Veel is hier nich in Saarow. En nijen Kohstall...«
»Aber drüben in Pieskow?«
»Joa, in Pieskow. O woll, versteiht sich. In Pieskow, da möt wat sinn.«
»Na, dann werd ich mal sehn. Ich dank auch schön, Mutterchen.« Und damit ging ich weiter in das Dorf hinein.
Wirklich, in Saarow war nicht viel, und als ich mich genugsam davon überzeugt hatte, hielt ich mich auf den See zu, wo nach meiner Meinung eine Fähre sein mußte. Nach einigem Suchen sah ich ein angeketteltes Boot liegen und dicht daneben ein Häuschen, an das drei, vier Ruder angelehnt waren. Also hier war es mutmaßlich. Ich trat denn auch ein und fand eine Frau, die sich, auf eine Stuhllehne gestützt, von hinten her über ihren etwa zwölfjährigen Jungen bog und ein Exempel mit ihm rechnete, das diesem blutsauer zu werden schien. Als ich ihr mein Anliegen vorgetragen hatte, sagte sie kurz, aber nicht unfreundlich, »sie habe nur den Jungen zu Haus, ob ich mit dem fahren wolle«.
»Gewiß.«
Und so stieg ich denn ins Boot und setzte mich so, daß ich dem Jungen, der rückwärts saß, grad in die Augen sah. Als wir schon abstießen, kam auch noch seine jüngere Schwester, nahm rasch ein zweites Ruder und setzte sich neben ihn. Ich sah bald, daß der Junge seiner Sache vollkommen sicher war und den Schermützel ohne sonderliche Mühe bezwingen würde, trotzdem uns der Wind entgegenwehte.
Dieser, anstatt stärker zu werden, wurde schwächer, aber je mehr er sich legte, desto blendender wurde die Sonne, so daß ich im Sonnenlicht, das überallhin flimmerte, bald nichts weiter sah als das Eingreifen der Ruder und die klugen und energischen Köpfe der beiden Kinder. Es entging ihnen auch nicht, daß sie mir gefielen, aber ich sagte nichts, und wir waren schon bis über die Mitte des Sees, als ich endlich fragte:
»Wie tief ist denn eigentlich euer See?«
»Na, wie uns' Huus.«
»Oh, mihr, mihr«, flüsterte die Schwester.
»Und könnt ihr denn auch schwimmen? Oder du wenigstens?«
»Nei.«
»Ja, da kannst du ja mal ertrinken.«
»Oh, ick wihr doch nich.«
»Nu nimm mal an, wenn euer Boot umkippt.«
»Uns' Boot kippt nich.«
Und dabei sahen sie sich an und kicherten und ruderten weiter.
Eine Weile verging so, während der Junge nachzusinnen schien, was nun er wohl zur Unterhaltung beisteuern könne. Dann sah er mit eins in die Höh und sagte: »Dat 's 'ne
Weitere Kostenlose Bücher