Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
hinter Großbeeren, seine hoch gelegenen fruchtbaren Äcker an einem Stücke Bruchland entlangziehend, liegt das Dorf Löwenbruch. Wir finden hier, durch die Jahrhunderte hindurch, eine Reihenfolge guter Namen: die von Thümen, von Otterstedt, von Boytin, von Alvensleben, von Gröben und von dem Knesebeck.
Die Boytins (ein ausgestorbenes Geschlecht) haben auf dem Kirchhofe noch ein paar große Grabsteine mit allerhand Figuren und Inschriften, die freilich unter der Kruste von Moos und Flechten kaum noch zu entziffern sind. Eins dieser Gräber ist leer geblieben. Mit Schaudern erzählte mir der Küster des Dorfes, wie er, eines Abends über die Grabsteine hinschreitend, den einen Stein unter seinen Füßen nachgeben und sich selber in die leere Gruft versinken fühlte. Er kam indessen mit dem bloßen Schrecken davon.
Von den Alvenslebens, die ihren Gutsanteil im Jahre 1749 an die Gröbens verkauften, findet sich noch dies und das. Es existiert unter anderm das jetzt wirtschaftlichen Zwecken dienende Haus, das sie bewohnten, ein schlichter Fachwerkbau, der am besten zeigt, wie gering, wenigstens nach dieser Seite hin, die Ansprüche waren, die der märkische Adel vor hundert Jahren noch erhob. Jeder wohlhabende Bauer wohnt jetzt besser. Es scheint, man legte damals Gewicht auf andres, auch auf andere Äußerlichkeiten , und ein höchst interessantes Sofa , das sich in den Damenzimmern des jetzigen Herrenhauses vorfindet, übernimmt den Beweis dafür. Als vor einem Vierteljahrhundert das Alvenslebensche Fachwerkhaus ausgebessert werden sollte, fand man auf einem der spinnwebverhangenen Böden einen alten Deckelkasten, der sich alsbald als eine Truhe zu erkennen gab. Dieser Fund erschien anfangs gleichgültig genug; nachdem man indes den Kasten ans Licht gebracht und von der Verstaubung eines Jahrhunderts gesäubert hatte, gewahrte man ein wahres Prachtstück, das es mit den allermodernsten Weißzeugspinden unserer Möbelmagazine kühnlich aufnehmen dürfte. Die Vorderseite des Kastens war in vier Felder geteilt, und jedes Feld bestand aus allerhand buntem, reich vergoldetem Schnitzwerk, in dessen Mitte sich ein sorglich gemaltes Wappenbild zeigte. Es waren die vier Wappen der Alvensleben, Redern, Bredow und Hake. Der gegenwärtige Besitzer Löwenbruchs wußte diesen Fund aufs glücklichste zu benutzen. Er ließ von geschickter Hand, die das Schnitzwerk der Truhe zum Muster nahm, eine Rückenlehne anfertigen, schmückte diese Lehne mit seinem eigenen Wappen und erzielte dadurch ein Sofa, das nach Erscheinung und Entstehungsgeschichte nicht leicht ein Seitenstück finden wird. Und was ist der Schluß, den ich daraus ziehe? Die Alvenslebens hatten ein schlichtes Haus, aber eine reiche, adlige Truhe, und der Inhalt derselben blieb mutmaßlich hinter dem vergoldeten Schnitzwerk nicht zurück. Ihren Reichtum bekundet auch die schön geschnitzte Kanzel, die Achatz von Alvensleben der Löwenbrucher Kirche zum Geschenk machte.
Die Gröbens führen uns bis in dies Jahrhundert hinein. Die letzten dieser Familie, die Löwenbruch besaßen, waren zwei Brüder, die ohne männliche Deszendenz verstorben. Der jüngere von beiden, der unter Friedrich dem Großen Rittmeister im Regiment Gensdarmes gewesen war, war der eigentliche Besitzer. Er tat viel zur Hebung des Guts, baute das jetzige Herrenhaus, starb aber früher als sein älterer Bruder, dem nun, da keine Kinder da waren, die schöne Besitzung zufiel. Dieser Bruder war ein Original, gescheit tapfer, nüchtern und phantastisch zugleich. Er war Major bei den »Gelben Reitern« gewesen, die damals in Zehdenick standen, hatte jedoch den Dienst quittiert, teils seiner schweren Blessuren, insonderheit aber seiner Studien halber, denen er sich ruhiger und ausschließlicher widmen wollte. Er studierte Kant und korrespondierte mit ihm. 1800 übernahm er Löwenbruch. Er war die absolute Bedürfnislosigkeit, eine völlig auf das Geistige gestellte Natur, und unsere Tage des Materialismus würden ihm schwerlich gefallen haben. Er trug jahraus, jahrein einen Leinwandanzug (auch der alte Zieten in Wustrau war so gekleidet), den er nur ablegte, wenn er sich auf Besuch nach Berlin begab. Dies geschah alle Jahr einmal, und zwar auf vier Wochen. Er stieg dann in Krauses Kaffeehaus ab, dem jetzigen »Hôtel de Brandebourg«, und verbrachte die ganze Zeit mit Konversation und Schachspiel. Nach dieser Berührung mit der Welt, zu der er sich eigentlich immer nur entschloß, um sein großes
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