Wanderungen durch die Mark Brandenburg
möglicherweise zutreffend. Wir las-
sen sie jedoch auf sich beruhen und treten lieber in
den Schloßbau selber ein.
Im Vorflur empfängt uns ein alter Herr, der Freund
und Majordomus des Hauses, der in Abwesenheit des
Besitzers die Repräsentation auf sich genommen hat.
Wir nennen ihm unsere Namen, er zieht sein Käpsel,
und mit dem plaudergemütlichsten Cicerone-Ton von
der Welt, nicht ohne liebenswürdigen Anflug von
Humor und Satire, beginnt er: »Sie werden hier eine
der sonderbarsten Bauschöpfungen alter und neuer
Zeit kennenlernen. Das Schloß hat weder Treppe
noch Küche und besteht ausschließlich aus zwölf
Zimmern und zwölf Klosetts.«
So eingeführt, beginnen wir unsern Umgang und
überzeugen uns alsbald, daß eine präzisere Totalbe-
schreibung des Schlosses und seiner baulichen Ab-
sonderlichkeiten nicht wohl gegeben werden konnte.
Was sich der Baumeister, er heiße nun Chiaramelli
oder Roncha, bei dieser Herrichtung gedacht haben
mag, ist schwer zu sagen. Wohl bin ich Schlössern
begegnet, zum Beispiel dem berühmten Lochleven-
Schloß in Schottland, in denen die besondere Dicke
1553
der Mauern ebenfalls zur Herstellung solcher »Be-
quemlichkeiten« dienen mußte, weil es im übrigen
an Raum gebrach. Wenn es indessen irgend etwas
gibt, dessen das Lichterfelder Schloß nun gerade
nicht ermangelt, so ist es Raum. Seine Dielen und Flure wirken wie Hallen und seine Zimmer wie Säle.
Unser Cicerone sprach aber auch die Worte: »keine
Treppe und keine Küche«. Und auch damit hat es
seine Richtigkeit. Wenigstens gehabt. Was die Trep-
pe angeht, so befindet sich dieselbe bis diesen Tag in
einem eigenen, von außen angebauten Treppenhau-
se, von dem die Sage geht, daß es deshalb früher nicht vorhanden war, »weil der alte Arendt Sparr,
nach Art ähnlicher Sagenväter, den Zutritt zu seiner
schönen Tochter durchaus unmöglich machen woll-
te«. Erst nachdem der Eintritt der bekannten Er-
scheinungen unsren alten Sparren-Vater, wie so
manchen Vater vor und nach ihm, von der Unmög-
lichkeit solcher Isolierung überzeugt hatte, entschloß
er sich reumütig, dem Hause das zu geben, was ihm
bis dahin gefehlt hatte – eine Treppe .
Das Schloß, wie seine Inschrift besagt wurde 1565
bis 1567 gebaut und 1580 renoviert. Ich vermute
jedoch, daß es 1650 statt 1580 heißen muß. Jeden-
falls haben sehr bald nach dem Dreißigjährigen Krie-
ge Renovierungen stattgefunden, da während des
Krieges, wie Bekmann berichtet, die Seitengebäude
des Schlosses durch den schwedischen General von
Dewitz eingeäschert worden waren. Natürlich mußte
das Schloß selbst bei dieser Einäscherung mit leiden.
Aber gleichviel, die Grundanlage des Schlosses ist 1554
seit den Tagen Arendts von Sparr und seines Sohnes
Otto Christoph unverändert geblieben.
Und wie das Sparren- Schloß blieb, so die Sparren-Erinnerungen. Vor allem selbstverständlich die, die dem alten Feldmarschall gelten. In jedem der Dörfer,
die dem Sparren-Lande zugehören, ist er gekannt, in
dem einen als Zauberer, in dem andren als Türken-
besieger, überall aber als der »Glockenmann«, der
sich vorgesetzt hatte, am ganzen Laufe des Finow-
Flusses hin seine Glocken klingen zu hören. Und wer
an der Biesenthaler Wassermühle den kleinen Fluß
passiert oder an einem Herbstabende, bei fallendem
Nebel, an dem Tramper Park und seinen Burgtrüm-
mern vorüberkommt, der fühlt wohl, daß ihn sein
Weg in Gegenden geführt hat, wo's nicht wunder-
nehmen darf, daß alte Volkssagen noch lebendig sind
und weiter wachsen und schaffen. Und ein alter
Knecht lebt noch auf einem der ehemaligen Sparren-
Dörfer, der sieht alles voraus, was passiert, und pro-
phezeit von einem großen Kriege, der in den Achtzi-
ger Jahren kommen wird. »Dann werden die Men-
schen so rar werden wie die Störche im Jahre 1857,
wo ein großer Sturm sie verschlagen und so viele
umgekommen waren, daß man alle fünf Meilen nur
einen noch sah. So wird Gott die Menschen schlagen,
wie er damals seinen Gottesvogel geschlagen. Und
dann werden die Menschen sich freuen, wenn einer
den andern sieht.«
1555
1. Es verlohnt sich, dies eigens hervorzuheben,
denn unter den mannigfachen kleinen Strapa-
zen, womit das Hinaufsteigen in alte Türme
und das Hinabsteigen in alte Grüfte verbun-
den ist steht das Glockeninschrift-Lesen o-
benan. Ohne »Licht und Leiter« geht es ei-
gentlich kaum, aber beide sind nie zur Hand,
und so
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