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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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möglicherweise zutreffend. Wir las-
    sen sie jedoch auf sich beruhen und treten lieber in
    den Schloßbau selber ein.
    Im Vorflur empfängt uns ein alter Herr, der Freund
    und Majordomus des Hauses, der in Abwesenheit des
    Besitzers die Repräsentation auf sich genommen hat.
    Wir nennen ihm unsere Namen, er zieht sein Käpsel,
    und mit dem plaudergemütlichsten Cicerone-Ton von
    der Welt, nicht ohne liebenswürdigen Anflug von
    Humor und Satire, beginnt er: »Sie werden hier eine
    der sonderbarsten Bauschöpfungen alter und neuer
    Zeit kennenlernen. Das Schloß hat weder Treppe
    noch Küche und besteht ausschließlich aus zwölf
    Zimmern und zwölf Klosetts.«
    So eingeführt, beginnen wir unsern Umgang und
    überzeugen uns alsbald, daß eine präzisere Totalbe-
    schreibung des Schlosses und seiner baulichen Ab-
    sonderlichkeiten nicht wohl gegeben werden konnte.
    Was sich der Baumeister, er heiße nun Chiaramelli
    oder Roncha, bei dieser Herrichtung gedacht haben
    mag, ist schwer zu sagen. Wohl bin ich Schlössern
    begegnet, zum Beispiel dem berühmten Lochleven-
    Schloß in Schottland, in denen die besondere Dicke

    1553
    der Mauern ebenfalls zur Herstellung solcher »Be-
    quemlichkeiten« dienen mußte, weil es im übrigen
    an Raum gebrach. Wenn es indessen irgend etwas
    gibt, dessen das Lichterfelder Schloß nun gerade
    nicht ermangelt, so ist es Raum. Seine Dielen und Flure wirken wie Hallen und seine Zimmer wie Säle.
    Unser Cicerone sprach aber auch die Worte: »keine
    Treppe und keine Küche«. Und auch damit hat es
    seine Richtigkeit. Wenigstens gehabt. Was die Trep-
    pe angeht, so befindet sich dieselbe bis diesen Tag in
    einem eigenen, von außen angebauten Treppenhau-
    se, von dem die Sage geht, daß es deshalb früher nicht vorhanden war, »weil der alte Arendt Sparr,
    nach Art ähnlicher Sagenväter, den Zutritt zu seiner
    schönen Tochter durchaus unmöglich machen woll-
    te«. Erst nachdem der Eintritt der bekannten Er-
    scheinungen unsren alten Sparren-Vater, wie so
    manchen Vater vor und nach ihm, von der Unmög-
    lichkeit solcher Isolierung überzeugt hatte, entschloß
    er sich reumütig, dem Hause das zu geben, was ihm
    bis dahin gefehlt hatte – eine Treppe .
    Das Schloß, wie seine Inschrift besagt wurde 1565
    bis 1567 gebaut und 1580 renoviert. Ich vermute
    jedoch, daß es 1650 statt 1580 heißen muß. Jeden-
    falls haben sehr bald nach dem Dreißigjährigen Krie-
    ge Renovierungen stattgefunden, da während des
    Krieges, wie Bekmann berichtet, die Seitengebäude
    des Schlosses durch den schwedischen General von
    Dewitz eingeäschert worden waren. Natürlich mußte
    das Schloß selbst bei dieser Einäscherung mit leiden.
    Aber gleichviel, die Grundanlage des Schlosses ist 1554
    seit den Tagen Arendts von Sparr und seines Sohnes
    Otto Christoph unverändert geblieben.
    Und wie das Sparren- Schloß blieb, so die Sparren-Erinnerungen. Vor allem selbstverständlich die, die dem alten Feldmarschall gelten. In jedem der Dörfer,
    die dem Sparren-Lande zugehören, ist er gekannt, in
    dem einen als Zauberer, in dem andren als Türken-
    besieger, überall aber als der »Glockenmann«, der
    sich vorgesetzt hatte, am ganzen Laufe des Finow-
    Flusses hin seine Glocken klingen zu hören. Und wer
    an der Biesenthaler Wassermühle den kleinen Fluß
    passiert oder an einem Herbstabende, bei fallendem
    Nebel, an dem Tramper Park und seinen Burgtrüm-
    mern vorüberkommt, der fühlt wohl, daß ihn sein
    Weg in Gegenden geführt hat, wo's nicht wunder-
    nehmen darf, daß alte Volkssagen noch lebendig sind
    und weiter wachsen und schaffen. Und ein alter
    Knecht lebt noch auf einem der ehemaligen Sparren-
    Dörfer, der sieht alles voraus, was passiert, und pro-
    phezeit von einem großen Kriege, der in den Achtzi-
    ger Jahren kommen wird. »Dann werden die Men-
    schen so rar werden wie die Störche im Jahre 1857,
    wo ein großer Sturm sie verschlagen und so viele
    umgekommen waren, daß man alle fünf Meilen nur
    einen noch sah. So wird Gott die Menschen schlagen,
    wie er damals seinen Gottesvogel geschlagen. Und
    dann werden die Menschen sich freuen, wenn einer
    den andern sieht.«

    1555
    1. Es verlohnt sich, dies eigens hervorzuheben,
    denn unter den mannigfachen kleinen Strapa-
    zen, womit das Hinaufsteigen in alte Türme
    und das Hinabsteigen in alte Grüfte verbun-
    den ist steht das Glockeninschrift-Lesen o-
    benan. Ohne »Licht und Leiter« geht es ei-
    gentlich kaum, aber beide sind nie zur Hand,
    und so

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