Wanderungen durch die Mark Brandenburg
eine
dreißig Fuß hohe Granitsäule auf Quaderstufen er-
hebt. Von dem ionischen Kapitäl der Säule blickt die
Marmorstatue der »Hoffnung« auf die Gräber herab.
Blumenbeete schließen das Eisengitter ein.
Die Zahl der Gräber, wenn ich richtig gezählt, beläuft
sich auf zwölf, und wenig Raum ist gelassen für neu
hinzukommende. Die Grabsteine, die sich der Säule
zunächst befinden, darunter die Wilhelms von Hum-
boldt seiner Gemahlin und der ältesten Tochter Karo-
line, haben keine Inschriften, sondern Name, Ge-
burts- und Todesjahr der Heimgegangenen sind in
die Quadern des Postaments eingegraben. Die mehr
am andern Ende des Gitters gelegenen Hügel aber
weisen kleine Marmortäfelchen auf, die einfach den
Namen und die Daten tragen und in ihrer Schlichtheit
an die Stäbchen erinnern, die der Gärtner dort in die
Erde steckt, wo er um die Herbstzeit ein Samenkorn
für den Frühling eingelegt hat. Alle Gräber sind mit
Efeu dicht überwachsen; nur eines, der Gittertür und
dem Beschauer zunächst, entbehrt noch des fri-
schen, dunkelgrünen Kleides. Fahl gewordene Tan-
1834
nenreiser bedecken die Stätte, aber auf den Reisern
liegen Lorbeer- und Eichenkränze und verraten
leicht, wer unter ihnen schläft.
Wenn ich den Eindruck bezeichnen soll, mit dem ich
von dieser Begräbnisstätte schied, so war es der,
einer entschiedenen Vornehmheit begegnet zu sein.
Ein Lächeln spricht aus allem und das resignierte
Bekenntnis: Wir wissen nicht, was kommen wird,
und müssen's – erwarten. Deutungsreich blickt die
Gestalt der Hoffnung auf die Gräber hernieder. Im
Herzen dessen, der diesen Friedhof schuf, war eine
unbestimmte Hoffnung lebendig, aber kein bestimmter siegesgewisser Glaube . Ein Geist der Liebe und Humanität schwebt über dem Ganzen, aber nirgends
eine Hindeutung auf das Kreuz, nirgends der Aus-
druck eines unerschütterlichen Vertrauens. Das sol-
len nicht Splitterrichter-Worte sein, am wenigsten
Worte der Anklage; sie würden dem nicht ziemen, der selbst lebendiger ist in der Hoffnung als im Glauben. Aber ich durfte den einen Punkt nicht unberührt und ungenannt lassen, der, unter allen märkischen
Edelsitzen, dieses Schloß und diesen Friedhof zu einem Unikum macht. Die märkischen Schlösser, wenn
nicht ausschließlich feste Burgen altlutherischer Konfession, haben abwechselnd den Glauben und den
Unglauben in ihren Mauern gesehen; straffe Kirch-
lichkeit und laxe Freigeisterei haben sich innerhalb
derselben abgelöst. Nur Schloß Tegel hat ein drittes Element in seinen Mauern beherbergt, jenen Geist, der, gleich weit entfernt von Orthodoxie wie von Frivolität, sich inmitten der klassischen Antike langsam,
aber sicher auszubilden pflegt und, lächelnd über die
1835
Kämpfe und Befehdungen beider Extreme, das Dies-
seits genießt und auf das rätselvolle Jenseits hofft .
1. Der berühmte Bildhauer Canova war im Jahr
1815 Kommissarius für die Zurückforderung
der aus den päpstlichen Staaten nach Paris
entführten Kunstdenkmäler.
Die Seeschlacht in der Malche
Of Nelson and the north
Sing the glorious day's renown.
Thomas Campbell
Die Mittelhavel, wie schon hervorgehoben, ist eine
lange Kette von Seen, Buchten und Becken.
Eins dieser Becken, unmittelbar nördlich von Span-
dau, ist die » Malche «, die so ziemlich den ganzen Raum zwischen dem Eiswerder und der Zitadelle
füllt. Eine prächtige Breite, die zunächst einen Wie-
senplan und, daran anschließend, den »Saatwinkel«
und die Jungfernheide in Flanke und Rücken hat,
1836
während sich die Bastionen und der Rundturm der
Festung in der blauen Tiefe spiegeln.
Die Havelbuchtung nun, samt ihren Ufern, war in der
Joachimischen Zeit, und zwar im Jahre 1567, der
Schauplatz eines »Wasser- und Landgefechts«, über
das Leuthinger in seiner Topographia marchica aus-
führlich berichtet. Diesem Berichte entnehmen wir
das Folgende:
Kurfürst Joachim II., unser allergnädigster Herr,
nachdem er abends spät mit seinem Hofstaate auf
der Festung Spandow angekommen war, sandte, um
den Bewohnern einen Schrecken zu bereiten, des
Morgens ganz früh einige seiner Trabanten nach der
Stadt Spandow, zum Hause des damaligen Bürger-
meisters Bartholomäus Bier, welchen sie, da noch
alles schlief, mit starkem Pochen an seiner Haustür
erweckten. Da derselbe beim Öffnen der Tür die Tra-
banten des Kurfürsten erblickte und sogleich den
Befehl erhielt, sich anzukleiden und die
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