Wanderungen durch die Mark Brandenburg
geheime
Macht , durch den Gold- und Rosenkreuzerorden , und durch den Einfluß der › unbekannten Väter ‹ geleitet, welche diesen Orden ungefähr seit 1778, noch zu
Lebzeiten des großen Königs, unglaublich weit in
Deutschland auszubreiten wußten. Wo die unbe-
kannten Väter sich aufhielten, wußten die Ordens-
genossen nicht; aber wenn dunkle Winke hin und
wieder gegeben wurden, so ward allemal auf katholi-
sche Orte gedeutet. Alle diese Innern Orden verlang-ten blindes Vertrauen auf die unbekannten Obe-
ren;... der tollen Geisterseherei wurde nach und nach Tür und Tor geöffnet, damit der freie Gebrauch
der Vernunft gehemmt und nach und nach der
Herrschsucht der Hierarchie und ihrer eigenen
Herrschsucht ein ausgedehnterer Wirkungskreis be-
reitet würde.
Es ist auch selbst dem allgemeinen Publikum nicht
ganz unbekannt geblieben, welche wichtige Folgen
von 1786 bis 1797 in den preußischen Staaten durch
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die Anhänglichkeit an die Rosenkreuzer bewirkt wor-
den sind. Wenngleich dieselben keineswegs all ihre
schädlichen Pläne haben durchsetzen können, so
kann doch derjenige, der einigermaßen die Umstän-
de kennt, kaum zweifeln, daß die Rosenkreuzerei auf die in die Augen fallende Veränderung der Verfügungen in Absicht auf die Religion (das Wöllnersche Re-
ligionsedikt ist gemeint) einen wichtigen Einfluß ge-
habt habe. Dank sei es den menschenfreundlichen
Privatgesinnungen König Friedrich Wilhelms II., daß
die Absicht der Obskuranten, alle Aufklärung auszu-
rotten, nicht bis zur Absetzung der Aufklärer von
ihren Ämtern, bis zu ihrer Einschließung in Gefäng-
nisse oder ihrer Verjagung aus dem Lande fortge-
setzt ward. Es gab Leute, denen es an Willen hierzu nicht fehlte und noch weniger an Drohungen .«
Zu dieser Sprache, die außerdem noch mit Bezeich-
nungen wie »bübisch«, »schmutzig«, »betrügerisch«
reichlich verbrämt war, war Nicolai als Parteimann,
als ausgesprochener Widerpart, dazu als Mann, der
persönliche Kränkungen und Schädigungen erfahren
hatte, zu gutem Teile berechtigt – wir nachträglich haben die Pflicht, unparteiischer auf das Getriebe
dieses Ordens und der beiden einflußreichen, den
Staat lenkenden Männer zu blicken, die entweder an
der Spitze des Ordens standen oder doch seine wich-
tigsten, ja überhaupt die einzig wichtigen Mitglieder waren. Ohne die Namen Bischofswerder und Wöllner
wären die Rosenkreuzer wie so viele andere Orden
jener Zeit ohne Sang und Klang vom Schauplatz ab-
getreten.
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Was wollte der Orden? wie entstand er? Er war, sei-
nem Kern und Wesen nach, eine Unausbleiblichkeit,
weil ein naturgemäßer Rückschlag. Wir konstatieren
einfach eine Tatsache, wenn wir hervorheben, daß
man in den letzten Regierungsjahren Friedrichs des
Großen in vielen Kreisen anfing, der Aufklärung we-
nig froh zu werden. Gegensätze, die sich befehden,
die beide in der Natur des Menschen ihre Wurzel und
ihre Berechtigung finden, pflegen sich untereinander
in Herrschaft und Ohnmacht abzulösen. Dem Purita-
nismus folgte Libertinage, der starren Orthodoxie
Friedrich Wilhelms I. folgte der Voltairianismus der
Friderizianischen Zeit, dem Kosmopolitismus folgte
eine nationale Bewegung, und dem Illuminatentum,
das überall ein Licht anzünden wollte, mußte natur-
gemäß irgendein Rosenkreuzertum folgen, das davon
ausging: alles Tiefe liegt nicht im Licht, sondern im
Dunkel. Das Empfinden der Zeiten und der Individu-
en wird in bezug auf diese Frage immer auseinan-
dergehen, und jene Enthusiasten, die überall ein
Rätsel, ein Wunder, ein direktes Eingreifen Gottes
sehen, wo der Nüchternheitsmensch einfach das
Verhältnis von Ursache und Wirkung zu erkennen
glaubt, diese phantasiereicheren, unserer besten
Überzeugung nach höher angelegten Naturen dürfen
mindestens eins verlangen: Gleichstellung in bürgerlicher Ehre. Es ist nichts damit getan, ihnen einfach
den Zettel »Dunkelmänner« aufzukleben und sie
damit, zu beliebiger Verhöhnung, auf den Markt zu
stellen. Seinem Kern und Wesen nach war das mo-
derne Rosenkreuzertum nichts als eine Vereinigung
von Männern, die, ob katholisierend oder nicht, an
den dreieinigen Gott glaubten und diesen Glauben
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dem Deismus, dem Pantheismus und Atheismus ge-
genüberstellten.
Wer will in dieser Reaktionsbewegung, die den Glau-
bensinhalt vergangener Jahrhunderte zurück ver-
langt, ein für allemal einen geistigen
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