Wandlung
hinaus.
»Danke«, sagte sie, als Sian ihr den Behälter überreichte. Und pfefferte ihn zur Seite, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
Den Nachmittag verbrachte Nikki damit, die Frequenzbänder abzusuchen. Sie drehte die Lautstärke auf und brachte ihr Ohr ganz nah an den Lautsprecher.
»Bist du ganz sicher, dass du es gehört hast?«, fragte Sian.
»Da war eine Stimme, männlich, ein Engländer. Mal deutlicher, dann wieder ganz leise. Schon seit mehreren Tagen geht das so.«
Sie drehte am Frequenzregler. »Da. Hörst du das?«
»…ilfe …ören Sie uns? …ringend Hil…«
»Schnapp dir deine Jacke. Wir müssen die Reichweite von diesem Ding vergrößern.«
Im Bootshaus entdeckte Nikki eine Rolle Stahlkabel. Sie schleppte sie aufs Oberdeck.
»Was hast du vor?«, fragte Sian.
»Als ich an der Uni war, hatte ich ein billiges Transistorradio auf meinem Schreibtisch stehen. Die Antenne war kaputt. Wenn ich den abgebrochenen Antennenstummel
an meine Schreibtischlampe hielt, hatte ich plötzlich Empfang. Vielleicht können wir die Antenne verlängern und das gleiche Kunststück vollbringen.«
»Vielleicht sollten wir mit Ghost sprechen. Möglicherweise könnte er uns helfen.«
»Es wird Zeit, dass du diese passive Haltung ablegst, Mädchen. Wir sitzen bis zum Hals im Schlamassel. Du kannst dich nicht ständig darauf verlassen, dass Ghost Händchen halten kommt, und alles wird wieder gut. Du musst anfangen, für dich selbst zu sorgen.«
Die Kurzwellenantenne bestand aus einem spitz zulaufenden Gerüst von vier Metern Höhe. Nikki kletterte daran empor und befestigte das Kabel an der Spitze, kletterte wieder herunter und befestigte das andere Ende an einer Wetterballonkapsel.
»In Ordnung. Tritt zurück.«
Sie zog an der roten Reißleine. Die Plastikummantelung klappte auf, und eine silberne Ballonhülle quoll hervor, entfaltete sich und begann, sich mit Gas zu füllen. Mit einem explosionsartigen Tosen leerte sich der Heliumtank, die Folie blähte sich und begann aufzusteigen. Der Ballon stieg in den Himmel und nahm das Kabel mit, eine silberne Träne, glänzend wie ein Quecksilberkügelchen. Das Kabel verlängerte die Antenne um zehn Meter.
»Mal sehen, ob es etwas genützt hat.«
Sie kehrten in die Aussichtskuppel zurück und warfen ihre Jacken über einen Stuhl.
»Hier spricht die Ölbohrplattform Kasker Rampart, können Sie mich hören, over?«
»Hallo? Hallo?«
»Hier spricht die Rampart. Sprechen Sie.«
»Gott sei Dank. Dem Himmel sei Dank. Hier spricht
die Bohrstelle Kasker Raven. Ich hoffe nur, Sie sind in besserer Verfassung als wir, Rampart. Wir könnten Ihre Hilfe gebrauchen.«
Kalaschnikow: Vier vor sich hinrottende, zum Meer hin ausgerichtete Blockhütten, eine orthodoxe Kirche mit Zwiebelturm, Grabkreuze aus Holz.
Jane machte das Boot am Steg fest, kletterte an Land. Punch reichte ihr die Rucksäcke.
Die Hütten waren von Walfängern erbaut worden, sie waren teilweise eingefallen, die Zimmer von Dachsparren und Schnee verstopft. Die kleine Kirche war unbeschädigt, das Inventar, vermoderte Kirchenbänke und ein eingefallener Altar, teilweise einhundert Jahre alt.
Im Hinterzimmer gab es einen mit Walfischtran befeuerten Herd mit einem von Spinnweben überzogenen Ofenrohr, ein Regal, beladen mit uralten Vorräten: Frys Kakao, Heinz Würzsoße indisch, Konservendosen mit gekochtem Weißkohl.
Der Fußboden war mit den Überresten einer modernen Campingausrüstung übersät, leere Brennstoffkanister für den Kocher, Lebensmittelverpackungen, ein zerrissener Schlafsack.
Jane entdeckte eine Schachtel Energieriegel sowie ein paar Konserven.
»Acht Jahre alt«, stellte sie mit Blick auf das Verfallsdatum fest. »Wahrscheinlich aber noch genießbar.«
»Ein ziemlich vergeudeter Abstecher. Die Hütte taugt vermutlich gerade noch als Feuerholz.«
»Was schätzt du, was im Augenblick wertvoller ist, am Gewicht gemessen? Barrengold oder eine Packung Erdnüsse?«
Sie standen im Türdurchgang und betrachteten den
Sonnenuntergang; es war mitten am Nachmittag, und sie hatten eine achtzehnstündige Nacht vor sich.
»Bis zur Wintermitte wird das Meer zugefroren sein«, sagte Punch. »Man könnte bis zum kanadischen Festland hinüberlaufen, ein Fußmarsch von eintausendfünfhundert Kilometern bei völliger Dunkelheit und minus fünfzig Grad. Aber wenn du, ich und Sian die Schneemobile nehmen würden, dazu einen mit Benzin beladenen Schlitten, könnten wir eine hübsche Strecke
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