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Wandlung

Wandlung

Titel: Wandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Baker
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Trage. Ghost hob sie an, und der Leichnam glitt ins Wasser.
    »Wie aus dem Leib ihrer Mutter geboren, so werden sie auch wieder gehen, nackt, wie sie gekommen sind. Wir haben nichts in diese Welt mitgebracht, und nichts nehmen wir aus ihr mit. Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, gesegnet sei der Name des Herrn.«
    Der in ein Leichentuch gehüllte Körper trieb unmittelbar unter der Wasseroberfläche. Mit einem Golfschläger schob Ghost ihn vom Eis fort, bis die Strömung ihn erfasste und er davontrieb, eine weiße Phantomgestalt unter der Wasseroberfläche.
    »Hilf uns, o Herr, durch den langen Tag dieses sorgengeplagten Lebens, bis die Schatten länger werden und der Abend naht, das hektische Treiben der Stille weicht, das Fieber des Lebens erlischt und unser Werk vollbracht ist. Dann, o Herr, gewähre uns in Deiner Gnade ein sicheres Obdach, eine heilige Ruhestätte und den letzten Frieden, durch Christus, unseren Herrn. Amen.«

    Als die Besatzung auf die Bohrinsel zurückkehrte, sprach niemand.
    Jane stand bei Punch und schaute hinaus aufs Meer.
    »Ich habe das Gefühl, dass ich hier mehr Schaden anrichte, als dass ich Gutes tue«, sagte sie.
    »Sollen wir uns auf die Suche nach deinem Asteroiden machen?«
    »Ja. Lassen wir dieses Elend eine Weile hinter uns.«

09 – Der Krater
    Jane steuerte das Schlauchboot gegen ihre Intuition: Man musste den Außenborder nach links drehen, wenn man rechts fahren wollte.
    »Halt einen Abstand von dreihundert Metern zur Küste«, wies Punch sie an. »Schließlich wollen wir uns nicht den Bootsboden aufreißen.«
    Sie folgten der Küstenlinie, umfuhren in unmittelbarer Nähe einen Vorsprung aus Mondgestein und schwarzem Kies.
    Als sich die seltene Chance bot, die Bohrinsel einmal in ihrer Gesamtheit zu sehen, blickte Jane zurück.
    Die Raffinerie war rund um drei riesige Destillationstanks herum konstruiert worden, jeder von ihnen groß wie eine Kathedrale. Die Konstruktion war mit Funkmasten und Kränen gespickt. Die Plattform trieb auf vier schwimmenden Auflagern und war mit Kabeln, dick wie ein Mammutbaumstamm, am Meeresboden verankert. Sie schien einem Albtraum entsprungen, eine kauernde Spinne, groß genug, ganze Städte zu vernichten, eine Million Tonnen Stahl, Produkt zwanzig verschiedener Slipanlagen, zusammengesetzt in einem Tiefwasserfjord und anschließend in den Norden geschleppt.
    »Beängstigend«, meinte Jane.
    »Was denn?«
    »Es ist eine Sache, mit hochgelegten Füßen in der Kantine zu sitzen und sich Pläne, wie man nach Hause fahren könnte, zurechtzufantasieren, aber etwas ganz anderes ist es, wenn man es in echt sieht, den Ozean, das Eis. Wir würden nicht einen einzigen Tag überstehen.«
    »Wir haben Zeit, uns vorzubereiten«, sagte Punch. »Und wir haben auf der Rampart jede Menge Überlebensgerät. Außerdem wärst du hier draußen nicht allein; wir wären füreinander da. Ghost ist ein zuverlässiger Bursche, die Sorte Mann, auf die man sich im entscheidenden Moment verlassen kann.«
    »Mag sein.«
    »Und wir haben dich.«
    »Klar. Sobald uns die Lebensmittel ausgehen, lande ich als Erste im Kochtopf.«
    »Vor ein paar Jahren hab ich mal einen Jungen im Fernsehen gesehen«, sagte Punch. »Er war in den Rockies beim Wandern und wurde dabei von einem Erdrutsch verschüttet. Als er wieder zu Bewusstsein kam, lag sein Arm eingeklemmt unter einem Felsbrocken. Ein paar Tage blieb er dort liegen und hoffte darauf, dass er gerettet würde. Als niemand kam, hat er sich den Arm mit seinem Gürtel abgebunden und mit seinem Taschenmesser abgeschnitten.«
    »Gütiger Himmel.«
    »Er hat sich seine Feldflasche geschnappt und ist ohne seinen Arm in die Zivilisation zurückgewandert.«
    »Starkes Stück.«
    »Das ist dein Moment, das weißt du, stimmt’s? Ich hab dich beobachtet, seit diese Scheiße hier losgegangen ist. Es war, als ob man jemanden beobachtet, der aus einem langen Schlaf erwacht.«
    »Aber zu was ist das nütze?«, fragte Jane mit einem
Blick hinauf aufs Meer. »Dieser ganze Heldenmut, dieser Überlebenswille. Das alles ist ein schlechter Scherz.«
     
    Sian räumte Simons Zimmer in der Sanitätsstation aus, sammelte seine Hundemarken ein, seinen Siegelring, seine Armbanduhr. In seiner Manteltasche fand sie eine mit zahlreichen Anmerkungen versehene Ausgabe der Meditationen von Marcus Aurelius. Sie packte alles in einen Plastikbehälter und brachte ihn zu Nikki.
    Die saß in der Beobachtungskuppel und starrte aufs Meer

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