War against people
41 hochverschuldeten armen Länder werden ähnlich gehandhabt wie die
Stützungskredite der US-amerikanischen Sparkassen- und Kreditinstitute in den letzten Jahren,
einer von vielen Fällen, in denen Risiken und Kosten der Gesellschaft aufgebürdet wurden.
Beschleunigt wurde dieses Verfahren, das mit zunehmender Staatsverschuldung und steigenden
Staatsausgaben (relativ zum Bruttosozialprodukt) einherging, von »konservativen« Reagan-
Anhängern. Das Auslandsguthaben der Lateinamerikaner übersteigt die Stützungskredite der
Sparkassen- und Kreditinstitute um etwa 25 Prozent und lag 1990 bei 250 Milliarden $. 4
Das alles ist nicht neu. Eine Untersuchung über Probleme der Weltwirtschaft weist darauf
hin, daß »in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts bei den US-Eisenbahngesellschaften
die Schuldenlasten durch Auslandsobligationen sich auf dem gleichen Niveau bewegten wie
die jetzt sich entwickelnde Staatsverschuldung«.5 Nach 1930 waren Frankreich, Großbritannien
und Italien bei den USA hochverschuldet, und nach dem Zweiten Weltkrieg war ein starker
Kapitaltransfer von Europa in die Vereinigten Staaten zu beobachten. Durch entsprechende
Kontrollen hätte man die Mittel zum Zweck des Wiederaufbaus in den Herkunftsländern
verwenden können, aber die Politiker, so unterstellen einige Analysten, zogen es vor, daß
reiche Europäer ihr Kapital bei US-Banken deponierten, wodurch die Kosten des
Wiederaufbaus den amerikanischen Steuerzahlern aufgebürdet wurden. Der Marshallplan
deckte die von führenden Ökonomen vorhergesagte Massenflucht von Kapital in etwa ab.6
Aus der Geschichte kennen wir weitere Möglichkeiten, mit Schulden umzugehen. Als die
USA vor einhundert Jahren Kuba besetzten, war die Insel gegenüber Spanien hochverschuldet.
Die USA erklärten die Schulden für null und nichtig, weil diese Last »dem kubanischen Volk
ohne dessen Zustimmung und mittels Waffengewalt aufgezwungen worden war«. Solche
Schulden wurden später von der Rechtswissenschaft »faule Schulden« (odious debt) genannt,
die »keine nationale Verpflichtung« darstellen, sondern »zu Lasten der Macht, welche die
Schulden verursacht hat, gehen«, während die Kreditgeber, die »eine gegen das Volk gerichtete
feindselige Maßnahme ergriffen haben«, von den Opfern keine Rückzahlung erwarten dürfen.
Als Costa Rica seine Schulden gegenüber Großbritannien annullierte, kam es nach dem
britischen Einspruch zu einem Schiedsverfahren, bei dem der Schlichter William Howard
Taft, Vorsitzender Richter am Obersten Gerichtshof der USA - zu dem Urteil gelangte, daß
die britische Bank die Gelder nicht für »legitime Verwendungszwecke« verliehen und somit
auch keinen Anspruch auf Rückzahlung hätte. Diese Logik ließe sich leicht auf die heutigen
Verhältnisse übertragen: Auch die gegenwärtigen Schulden sind »faule Schulden«, die keine
rechtliche oder moralische Legitimation besitzen, den Völkern ohne ihre Zustimmung
auferlegt wurden und meist dazu dienen, sie zu unterdrücken und ihre Herren zu bereichern.
Würde man das Prinzip heute anwenden, »könnten die Länder der Dritten Welt einen
substantiellen Teil ihrer Schulden als getilgt betrachten«, kommentiert Karin Lissakers.
In manchen Fällen gibt es Lösungen für die Schuldenkrise, die sogar noch einfacher und
konservativer sind als die undenkbare kapitalistische Idee oder das von der US-Regierung
lancierte Prinzip der »faulen Schulden«. Mittelamerika leidet stark unter der Krise. Nicara-
gua weist die höchste Pro-Kopf-Verschuldung der Region auf; gegenwärtig sind es 6,4
Milliarden $, die natürlich niemals zurückgezahlt werden können. Die Humankosten der
IWF-Programme, mittels derer die Kreditgeber entschädigt werden sollen, lassen sich nicht
beziffern. Etwa 1,5 Milliarden $ stammen aus der Ära Somoza und sind mithin »faule Schulden«,
die annulliert werden können. Weitere drei Milliarden $ sind in der Zeit nach 1990
angewachsen, als die USA die Kontrolle über Nicaragua zurückgewannen; auch dies sind
»faule Schulden«. Für den Rest sind die USA direkt verantwortlich, weil sie gegen Nicaragua
einen mit mörderischem Terrorismus verbundenen brutalen Wirtschaftskrieg führten. Dafür
wurden sie vom Weltgerichtshof verurteilt und aufgefordert, Reparationen zu zahlen, deren
Höhe bei etwa 17 Milliarden $ lag. Folglich würde das höchst konservative Prinzip, sich der
internationalen Rechtsprechung zu beugen, Nicaraguas
Weitere Kostenlose Bücher