War against people
Finanzhaushalt« von
Thailand und Südkorea und verwiesen auf die »besonders intensive« Entwicklung der
»dynamischsten [Kapital-]Märkte«, nämlich »Korea, Malaysia und Thailand, gefolgt von
Indonesien und den Philippinen«. Diese Erfolgsmodelle des freien Markts unter Anleitung
von IWF und Weltbank heben sich »durch die von ihnen erreichte Intensität und Liquidität«
und andere Tugenden hervor. Nachdem diese Luftballons geplatzt waren, veröffentlichte die
OECD 1997 einen Bericht, in dem sie die Wunder der Liberalisierung feierte, die, obwohl sie
seit mehr als zwanzig Jahren von einem deutlichen Rückgang des Bruttosozialprodukts und
anderen makroökonomischen Indikatoren begleitet worden war, bald ihre Versprechen
einlösen sollte, und zwar dank der Dynamik der »sich herausbildenden Wirtschaft von Staaten,
die nicht der OECD angehören« und zu deren führenden Kräften die »Großen Fünf -Brasilien,
China, Indien, Indonesien und Rußland - gehören«. 13
Falsche Voraussagen sind keine Sünde; noch immer werden grundlegende Faktoren der
Weltwirtschaft »nur höchst unzureichend verstanden« (Jeffrey Sachs). Allerdings läßt sich
schwer übersehen, daß »schlechte Ideen Konjunktur haben, weil mächtige Gruppen daran
interessiert sind« (Paul Krugman). Das Vertrauen auf das, was zweckdienlich ist, wird noch
bestärkt durch den blinden Glauben an die »Religion« des allwissenden Markts (Joseph
Stiglitz). 14 Diese Religion ist so heuchlerisch wie fanatisch. Seit Jahrhunderten ist die Theorie des »freien Markts« zweischneidig: Marktdisziplin ist gut für die Armen und Wehrlosen,
während die Reichen und Mächtigen sich im Schoß von Vater Staat geborgen fühlen dürfen.
Ein weiterer Faktor für die Schuldenkrise war die Liberalisierung der Finanzmärkte, die zu
Beginn der siebziger Jahre einsetzte. Das nach dem Zweiten Weltkrieg von Großbritannien
und den USA entworfene System von Bretton Woods sollte den Handel liberalisieren, während
die Wechselkurse stabil blieben und Kapitalbewegungen reguliert und kontrolliert wurden.
Diese Entscheidungen beruhten auf der Annahme, daß sich die Liberalisierung der
Finanzmärkte auf Handel und Wirtschaftswachstum ungünstig auswirken und
Regierungsentscheidungen beeinträchtigen könnte. Bretton Woods diente also auch dem
Schutz des Wohlfahrtsstaats, der in der Bevölkerung große Popularität genoß. Die Kontrolle
der Kapitalbewegungen war notwendig, um den in langen und harten Kämpfen errungenen
Gesellschaftsvertrag und substantielle demokratische Strukturen vor Schaden zu bewahren.
Das System von Bretton Woods blieb während des »Goldenen Zeitalters«, in dem
wirtschaftliches Wachstum und wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen florierten, in Kraft, bis
ihm die Regierung Nixon, unterstützt von Großbritannien und anderen Staaten, das Ende
bereitete. Das führte in den darauffolgenden Jahren zu einer wahren Explosion von
Kapitalströmen, die sich auch in ihrer Zusammensetzung grundlegend änderten. 1970 bezogen
sich 90 Prozent aller Transaktionen auf reales Kapital (Handel und langfristige Investitionen).
1995 waren schätzungsweise 95 Prozent der Transaktionen spekulatives, zumeist sehr
kurzfristig angelegtes Kapital (80 Prozent mit einer Anlagedauer von sieben oder weniger
Tagen). Dadurch wurden außerdem weitere »Ressourcen auf die Finanzmärkte verlagert,
während die Bildung von Realkapital gehemmt wurde«.15
Das Ergebnis bestätigt weitgehend die Erwartungen, die sich mit dem System von Bretton
Woods verbanden. Der Gesellschaftsvertrag geriet unter Beschüß, während protektionistische
und andere interventionistische Maßnahmen um sich griffen. Dabei kam den »Reaganisten«
eine führende Rolle zu. Die Märkte sind unberechenbarer und krisenanfälliger geworden.
Die Funktion des IWF hat sich mittlerweile ins Gegenteil verkehrt: Sollte er zunächst die
Mobilität des Finanzkapitals eindämmen, so ist er jetzt dazu übergegangen sie zu befördern
und, wie Lissaker sagt, »die Kreditmärkte weiter anzuheizen«.
Es wurde sofort gemutmaßt, daß diese Liberalisierung in den reichen Ländern zu geringerem
Wirtschaftswachstum und niedrigeren Löhnen führen würde. Das ist auch eingetreten. In den
letzten 25 Jahren sind die Produktivitäts- und Wachstumsraten erheblich gesunken. In den
USA sind die Spitzeneinkommen enorm gestiegen, während die Mehrheit der Bevölkerung
Lohn- und Gehaltseinbußen hinnehmen mußte.
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