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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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liebes Kind«, flüsterte ich.
    Ich dachte an all die Preise, die er in der Grundschule gewonnen hatte, und an all die überschwänglichen Zeugnisse: »Seffy macht der Schule Ehre, sowohl im Unterricht als auch durch sein allgemeines Verhalten.« Das war so bis vor etwa einem Jahr, als plötzlich alles schiefzugehen schien.
    »Er ist immer noch ein guter Junge«, sagte Dad mit Nachdruck. »Er ist nur ein bisschen mit dem Erwachsenwerden beschäftigt, das ist alles. Es ist eine Phase.« Ich nickte, konnte aber nichts sagen.
    »Ach ja, Hugh hat seine Jagdgesellschaft auf nächstes Wochenende verschoben, damit du da morgen nicht mitten in den Trubel geraten musst.«

    »Das ist gut. Wenn ich zufällig ein Gewehr in die Hand bekäme, könnte ich versucht sein, es auf mich selbst zu richten.«
    Er schmunzelte. »Na, na, das wäre doch ausgesprochen dumm von dir. Entspann dich, Hattie. Alles wird gut.«
    Ich nickte und legte auf. Ich fühlte mich sogar ein wenig besser, denn wenn mein Dad sagte, alles würde gut werden, dann glaubte ich das auch wirklich. Glaubte, dass er dafür sorgen würde. So wie er es immer getan hatte, seit ich ein kleines Mädchen war. Aber Dad würde nicht für immer da sein, durchfuhr es mich plötzlich. Seine ruhige Hand würde nicht ewig das Ruder halten können. Und sowieso sollte er in meinem Alter auch nicht mehr derjenige sein, auf den ich mich verließ. Wie ich so am Fenster stand in meinem Bademantel und aus dem Halbdunkel des Zimmers auf den gepflasterten Marktplatz hinausschaute, fühlte ich, wie eine kalte Hand nach meinem Herzen griff und es zusammendrückte. Einsamkeit. Oh, ich erkannte sie sofort. Es war ein Gefühl, das ich in letzter Zeit immer häufiger verspürt und das ich immer verdrängt hatte. Mit einem Kopfschütteln oder einem schnellen Anruf bei Maggie oder Laura zu einem kleinen lustigen Plausch. Aber als ich nun ins Bett stieg, schienen meine Beine irgendwie schwerer auszusehen. Ein bisschen mehr wie die meiner Mutter. Und als ich die Bettdecke über die Schultern zog und meine Haare zurückstrich, da wusste ich, dass ein paar davon in der Mitte schon grau waren. Kaum welche, hatte der Friseur mir versichert: Sie haben fantastische Haare, aber wie wär’s mit ein paar Strähnchen?
    Meine Gedanken wanderten zu Hals Haaren: ziemlich grau an den Schläfen, dabei war er immer so dunkel
gewesen. Aber bei Männern sah das natürlich gut aus. Irgendwie vornehm. Bedeutender. Und Hal war als junger Mann ziemlich linkisch gewesen. Tja, linkisch war er jetzt gewiss nicht mehr. Und dann hing ich auf einmal dem Gedanken nach, was gewesen wäre, wenn er mein Freund geworden wäre, was er ja so gerne gewollt hatte. Was wäre gewesen, wenn ich diesen Lebensweg eingeschlagen hätte, den vernünftigen, den ich eigentlich hätte nehmen sollen. Wenn ich ihn geheiratet hätte?
    Hal mit seinem leicht belustigten, leicht ironischen Lächeln. Seinen wachsamen, klugen Augen. Ich war erstaunt, wie genau ich sein jugendliches Aussehen noch vor Augen hatte, als hätte es all die Jahre in mir darauf gewartet, dass ich die Seiten zurückblätterte und es wieder hervortreten konnte. Ja, da war er an seinem Schreibtisch in seinem Zimmer im Wohnheim und schrieb an einer Hausarbeit. Er hatte mir den Rücken zugekehrt, während ich auf seinem Bett lag und einen Tennisball in die Luft warf. Ich konnte ihn so werfen, dass er gerade nicht die Decke berührte. Und er schrieb immer weiter. Ich beschwerte mich über seine Musik. Albinoni, immer Klassik, konnten wir nicht mal etwas anderes auflegen? The Jam ? Er sagte dann, dabei könnte er nicht arbeiten, und daraufhin fragte ich ihn, warum er überhaupt arbeitete? Weil, so erklärte er mir, er sonst die ganze Nacht aufbleiben müsste so wie ich – warum sollte er es also nicht jetzt tun? Verärgert warf ich dann den Tennisball nach ihm, und mit blitzartiger Geschwindigkeit streckte er die Hand aus und fing ihn auf, um gleich darauf weiterzuschreiben, und – oh mein Gott, mein Gott, es war so klar. Wie ein Film spulte es vor mir ab – und ich war so glücklich gewesen damals, so sorglos. Ich sah
mir selbst zu, wie ich träge aufstand, zu ihm hinüberschlenderte, um einen Blick auf seine Bücher zu werfen und mich laut zu fragen, wie man nur diese trockenen juristischen Texte verstehen konnte. Ich neckte ihn. Er grunzte nur und gab mir keine Antwort. Und dann hatte ich, wie ich mich erinnerte, genervt das Zimmer verlassen.
    Aber jetzt, Jahre später, gefiel

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