War da noch was - Roman
Rest der Antik-Gang wie Ivan, Ricard und Sylvie und Konsorten, die ohne Zweifel den Markt in Fréjus erfolgreich abgearbeitet und sich jede Menge Schnäppchen gesichert hatten, bevor sie nach einem fröhlichen Mittagessen in der Stadt zusammengepackt und dann en masse nach Reims zum Abendessen
mit Übernachtung gefahren waren, um dann heute Morgen nur noch eine mäßige Tour von drei Stunden hinter sich zu bringen. Ich musste wenigstens einigermaßen das Gesicht wahren und so tun, als hätte sich meine verzweifelte, jämmerliche Flucht aus dem Hotelzimmer in irgendeiner Weise gelohnt.
Mit einem Seufzer schlug ich die Tür der Fahrerkabine zu und ging zu der Schiffstreppe hinüber, die auf die oberen Decks führte. Zum Glück hatte ich mein Handy-Ladekabel vergessen, zum Glück konnte Ivan mich diesmal nicht erreichen. Auch wenn ich ansonsten dazu neigte, zwanghaft den SMS-Posteingang zu checken, mit Testanrufen zu kontrollieren, ob meine Mailbox auch funktionierte, und durchaus schon mal mein Handy anschreien konnte: »Jetzt klingel doch endlich!«, war ich nun froh, einmal unerreichbar zu sein. Keine unangenehmen Fragen beantworten zu müssen. Warum?, fragte ich mich, während ich allein an der Bar der schwankenden Fähre saß und zusah, wie mein Café au lait auf die Untertasse schwappte. Warum war mein Leben so, wie es war?
Einige Stunden später traf ich, nach einem kleinen Umweg und einem Zwischenstopp bei mir zu Hause in London, bei Laura ein. Dort hatte ich mich rasch frisch gemacht, den Laster abgestellt und mein Transportmittel gegen ein etwas feminineres eingetauscht. Als ich dann schließlich knirschend auf der Einfahrt meiner Schwester, mit der herrlichen Lindenallee und dem idyllischen Blick, zum Stehen kam, war ich mehr als eintausenddreihundert Kilometer innerhalb von zwei Tagen gefahren und war schlichtweg k.o. Und genervt. Die Stille, die Ruhe, die Entrücktheit dieser ganz anderen Welt, wo die Tauben geschmackvoll in den Baumwipfeln gurrten, hatte nicht die übliche beruhigende Wirkung auf mich. Nein,
es muss ehrlicherweise gesagt werden, dass mich dieser höchst privilegierte Lebensstil diesmal schlicht irritierte.
Ich parkte vorne auf der gekiesten Fläche, stieg aus und streckte meine müden Knochen, die Arme hoch über den Kopf erhoben. Da hörte ich Stimmen. Ich ließ die Arme sinken. Um die Ecke erhaschte ich zwischen den Rhododendron-Büschen hindurch einen Blick auf den Tennisplatz. Zwei Jungen in Jeans, einer von ihnen Seffy, schlugen Bälle. Na toll, dachte ich säuerlich und schlug die Wagentür zu. Von wegen »verlorener Sohn«. Man bringt ihn nach Hause in Tante Lauras kuschelige Luxusvilla und sorgt dann dafür, dass ein Junge aus der Nachbarschaft rüberkommt, um mit ihm Tennis zu spielen. Bestimmt würden sie später auch noch in den Pool hüpfen.
Maggies Wagen stand ebenfalls auf der Einfahrt, was mich aus irgendeinem Grund noch mehr verärgerte. Sie war scheinbar immer noch hier. Und dabei wollte ich hier doch unsere Familienstreitigkeiten in aller Ruhe ausfechten. Streit? Nein, ich würde nicht streiten. Ich hatte doch geschworen, das nicht zu tun. Schon vergessen? Aber es ließ sich nicht ignorieren, dass etwas in mir brodelte. Und so ließ ich das Haus links liegen und ging direkt über den gepflegten Rasen zum Tennisplatz hinüber, um dort meinen Sohn zu begrüßen. Sei nett zu ihm, ermahnte ich mich selbst. Sei ruhig. Lächele. Während ich näher kam, sammelten die Jungen gerade die Bälle ein, ihr Spiel war offenbar beendet, und sie wechselten noch ein paar freundliche Worte.
»Seffy.« Meine Stimme hatte ganz ohne mein Zutun eine harte, unangenehme Schärfe. Seffy schaute sich vorsichtig um.
»Oh, hi, Mum.«
Da! Schon wieder. Dieses lässige: »Hi, Mum.«
Ich öffnete die Tür im Zaun und trat ein. »Seffy, kannst du deinem Freund hier das Aufräumen überlassen? Wir müssen reden.«
Nein, ich wollte nicht vorgestellt werden, wollte nicht von Seffy dazu gezwungen werden, höflich und freundlich zu sein: Ich wollte mich nicht von der Situation manipulieren lassen.
»Klar. Kommst du allein zurecht, Luca? Die Bälle und die Schläger gehören in den Schuppen dort drüben.« Er wies mit dem Finger darauf.
Luca. Ich war verblüfft. Vollkommen baff. Ich hatte ihn seit Jahren nicht gesehen. War seinem letzten Besuch vor ein paar Jahren ganz bewusst aus dem Weg gegangen, da ich ihn bei früheren Treffen als muffigen, verschlagenen Jungen erlebt hatte. Und da war er nun
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