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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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mir die Erinnerung. Mir gefiel seine konzentrierte Haltung, sein Eifer, sein Ehrgeiz, die nach meinem Gefühl zeitweise allzu sehr auf mich gerichtet gewesen waren. Ich hatte mich nicht der gleichen genauen Musterung unterziehen wollen, mit der er seinen Gesetzestexten zu Leibe rückte. Hatte es nicht gerne gesehen, wenn mich diese ruhigen, dunklen Augen sofort entdeckten, sobald er die Studentenkneipe betrat. Ich wollte mit meinen Freunden zusammen sein, mich amüsieren, nicht nur allein mit ihm. Ich wollte ihm sagen, dass es nicht auszuhalten war, wenn einen jemand so ins Zentrum seines Interesses stellte, es war erdrückend. Und so zerrte ich ihn, sobald er hereinkam, in unsere feucht-fröhliche Runde, obwohl ich genau wusste, dass er eigentlich am liebsten mit mir allein an einem anderen Tisch gesessen hätte. Jetzt hätte ich es dagegen gerne gehabt, so im Zentrum seiner Aufmerksamkeit zu stehen. So umworben zu werden. Und inzwischen mochte ich auch klassische Musik. Wir könnten gemeinsam in Konzerte gehen, sein Arm an meinem Rücken würde mich sanft vorwärtsschieben, während wir zu unseren Plätzen in der Wigmore Hall gingen. Anschließend Abendessen. Ich hielt den Atem an in der Dunkelheit und stellte mir dieses Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vor, das so ganz anders war, als in diesem tristen Hotelzimmer irgendwo im Norden Frankreichs zu sein,
in dem ich darauf wartete, dass mein Laster repariert wurde.
    Und dann ließ ich mich ganz und gar in die Fantasie hineinfallen und stellte mir ein schönes Zuhause vor, eine Familie, ein großes Landhaus. Kinder, Ponys auf der Weide, Hunde, genau wie bei Laura und all ihren Freundinnen. Mein Mann wäre, genau wie ihre Männer, ein erfolgreicher Anwalt. Dinner-Partys, ein kleiner Job – ja, doch, berufstätig war ich schon noch, immer noch als Raumgestalterin, aber mit Rückendeckung von meinem Mann. Ohne Druck. Ist doch kein Problem, wenn es nicht so läuft, mein Schatz. Keine Panik. Das war’s. Das wäre schön. Ach ja, und ich würde natürlich zu Weihnachten für einen Monat schließen, während wir zum Skifahren gingen, und im Sommer genauso, wenn wir in unserem Haus in Frankreich waren. Nein, nicht schließen, denn meine Partnerin Maggie würde dann übernehmen. Maggie, die das ganze Jahr über arbeiten musste, die nicht die Möglichkeit hatte wie ich, den Luxus, das Kissen, das sie auffing. Wäre das nicht schön gewesen, dachte ich, und machte die Augen zu, die, wie ich merkte, weit offen waren und an die Decke starrten, obwohl ich so erschöpft war. Es wäre noch immer schön.
    Meine Gedanken kamen einfach nicht zur Ruhe, obwohl ich so müde war. Denn nun überlegte ich fieberhaft, ob Céline wohl weiterarbeiten würde. Auch mit Kindern. Würde sie zurück in das Pariser Büro ihrer Anwaltsfirma gehen, in ihrem schicken Armani-Kostüm, nachdem sie erfolgreich ein Baby abgestillt hatte, oder würde sie in ein paar Jahren eher in diesem entzückenden Garten in Seillans herumgehen? Dort unten auf den terrassenförmigen Rasenflächen hinter dem Olivenhain, am Fluss, an der einen Hand ein Kleinkind mit goldenen Locken,
die andere auf den leicht gerundeten Bauch gelegt, barfuß und schwanger? Tränen des Selbstmitleids sammelten sich in meinen Augen, als mir klar wurde, dass es das war, was ich mir immer gewünscht hatte. Barfuß zu sein und schwanger. Ich wollte, dass jemand kam und mir die Schuhe auszog.

20
    A m folgenden Morgen war ich jedoch wieder Hattie Carrington, die trendige Londoner Antiquitätenhändlerin, in einem adretten weißen Oberteil und Caprijeans, die Sonnenbrille fest auf der Nase, und nicht mehr das schniefende Nervenbündel voller Selbstmitleid aus dem Hotelzimmer der Nacht. Mit klimpernden Armreifen am gebräunten Arm und dem Duft von Chanel No.19 , der durchs Fenster ins Freie schwebte, saß ich hinter dem Lenkrad meines Lasters und erntete die üblichen bewundernden Blicke der anderen Trucker, während ich die Laderampe der Fähre hinaufrumpelte. Was spielte es schon für eine Rolle, dass das Leben mehr zu bieten hatte als bewundernde Blicke von bierbäuchigen, tätowierten Truckern. Was spielte es für eine Rolle, dass ich die Hafenbediensteten der Fährgesellschaft fast bestechen musste, damit sie mich mit dieser Fähre mitfahren ließen und nicht erst mit der, auf die ich gebucht war und die gerade mal zwei Stunden später abfahren würde. Oh nein, die konnte ich unmöglich nehmen. Das kam gar nicht in Frage. Nicht mit dem

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