War da noch was - Roman
plötzlich, ein groß gewachsener junger Kerl, mit hellbraun verwuschelten Haaren und Testosteron im Blut: schon ein richtiger Mann.
»Oh – Luca.« Ich war vollständig verwirrt, was Seffy genau vorhergesehen hatte. Ich spürte seinen amüsierten Blick. Fünfzehn zu Null für meinen Sohn. Ich besann mich auf meine Manieren. »Wie wunderbar, dich mal wieder zu sehen. Meine Güte, das ist ja eine Ewigkeit her«, ging ich mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. »Ich bin Hattie. Seffys Mutter. Lauras Schwester. Wahrscheinlich kannst du dich nicht an mich erinnern.«
»Ich erinnere mich«, sagte er mit starkem italienischem Akzent. Wir schüttelten die Hände, und ich warf einen Blick auf die andere, die verkümmerte – Gott sei Dank ist es die Linke, sagte Laura immer, so konnte er wenigstens Hände schütteln, was ja für einen Mann besonders wichtig ist. Sie war noch immer verkümmert, aber sie wirkte
weniger auffällig als in seiner Kindheit. Hatte er meinen Blick bemerkt? Ich war mir nicht sicher, aber das hier hatte mich wirklich auf dem falschen Fuß erwischt. Wenn ich vorgewarnt gewesen wäre, wäre mir das sicher nicht passiert.
Mit fiel auf, dass der Blick aus seinen dunklen, schmalen Augen in dem ovalen Gesicht dem meinen noch immer auswich und zur Seite glitt. Das würde man bei Seffy nie erleben, selbst wenn man ihn mit heruntergelassenen Hosen erwischt hätte.
»Wie nett, dich zu sehen«, plauderte ich weiter drauflos, als klar wurde, dass ich Seffy nicht einfach hier wegholen und Luca das Aufräumen überlassen konnte, wie ich es bei einem Jungen aus dem Dorf getan hätte, für den ich ihn zunächst gehalten hatte. Und wie grässlich war das sowieso von mir? »Bleibst du länger hier?« Auch das klang schrecklich, so, als würde ich hoffen, dass er nicht bliebe. Aber, wie gesagt, ich war etwas durcheinander. Nervös begann ich, die Bälle aufzusammeln und lief gebückt über den Platz wie ein Clown oder wie ein Baumwollpflücker, während die Jungen auf ihre Schläger gestützt dastanden und mir zusahen.
»Ja, ich bleibe ungefähr einen Monat«, sagte Luca. »In meinem Studiengang ist ein Auslandsjahr vorgesehen, also reise ich herum und bleibe ein bisschen bei meinem Vater.«
»Ach wie schön!«, hauchte ich und bückte mich wieder, wobei ich dachte, dass Seffy mir wenigstens helfen könnte, anstatt so arrogant daneben zu stehen. Ich stolperte zu dem Drahtkorb, die Arme bis zum Kinn voller Bälle und ließ sie hineinfallen. Kein einziger landete im Korb. Wir sahen ihnen hinterher, wie sie fröhlich auf dem Platz umhersprangen.
»Meine Güte, Seffy – jetzt hilf doch mal mit!«
Er verdrehte die Augen. »Sorry, aber du hattest gesagt, dass ich das nicht sollte.«
»Nun ja, dann habe ich eben meine Meinung geändert. «
Ich setzte ein gezwungenes Lächeln auf. Und sprach dann peinlicherweise in ebenso gebrochenem Englisch wie Luca. Das passiert mir manchmal, wenn ich mit Ausländern rede: »Und was ist es, das du studierst?«, fragte ich langsam. »An der Universität.«
Er schaute mich verächtlich an. »Englisch.«
Natürlich. Was sonst? Denn in ein paar Jahren würde er ja hier sein und in der Abbey leben und wäre Herr von allem, was er sah. Und um das Anwesen ordentlich verwalten zu können, musste er natürlich der Sprache mächtig sein. Mir krampfte sich beim Gedanken an Laura das Herz zusammen, die mit dieser tickenden Zeitbombe an ihrer Seite leben musste.
Wir gingen jetzt vom Platz und quer über den Rasen auf das Haus zu, und ich spürte, dass mir die Gesprächsthemen ausgingen, denn die natürliche nächste Frage wäre gewesen: Und was willst du machen, wenn du mit dem Studium fertig bist? Und etwas anderes fiel mir nicht ein. Vielleicht spürte er das.
»Bis dann, Seffy.« Er hob seinen Schläger und machte sich mit einem vielsagenden, wissenden Lächeln in die andere Richtung davon, am Rosengarten vorbei zu den Ställen, vor denen auf dem Kopfsteinpflaster des Hofes ein roter, tiefer gelegter Schlitten von einem Auto parkte. Ich hatte die vage Vermutung, dass Ferrari das Wort war, nach dem ich vergebens suchte.
»Yeah.« Seffy hob zur Antwort ebenfalls den Schläger. »Bis dann.«
Ich sah Luca hinterher, der mit einem Sweatshirt über dem Arm dahinschlenderte und lässig die Autoschlüssel aus der Hosentasche zog. Toller Typ, was? Gar nicht das, was meiner Erwartung nach aus dem ungelenken Jungen hätte werden können.
»Und, wie ist er so?«, fragte ich neugierig und war
Weitere Kostenlose Bücher