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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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mir den Kopf frei zu machen, so als hätte ich mein Hirn unter einem kalten Wasserhahn abgespült.
    »Es war so dumm von mir. Ich habe ihn angebrüllt, weißt du«, wiederholte ich mit dem vagen Gefühl, dass ich schon wieder einmal schwindelte. »Ich bin sauer geworden, und er ist explodiert.«
    »Aber wenigstens habt ihr reinen Tisch gemacht«, sagte sie. »Und das ist ja nichts Schlechtes. Lass ihn sich beruhigen, und dann kannst du später noch mal mit ihm reden. Das ist besser. Ehrlich, manchmal denke ich, dass es viel gesünder wäre, wenn Luca und ich auch mal so richtig aneinandergeraten würden.«
    »Ich habe ihn gesehen«, stieß ich mühsam hervor, um eine Unterhaltung in Gang zu halten, wie man es normalerweise tat. »Er hat mit Seffy Tennis gespielt. Er hat sich positiv entwickelt, finde ich. Nicht mehr so hinterhältig, etwas mehr Charme, oder?«

    Ich griff nach der Evian-Flasche, um mein Glas aufzufüllen. Ich brauchte Flüssigkeit, um mich zu beruhigen, tief durchatmen zu können.
    »Ja, er ist erwachsen geworden. Und er hat sich sehr zum Guten verändert, aber wir gehen immer noch steif und höflich miteinander um, Hattie. Ganz gleich wie viel Mühe ich mir gebe, er kommt mir nicht das kleinste bisschen entgegen. Er hält mich immer noch auf Distanz. Und das treibt mich in die Defensive und macht mich total nervös und unsicher. Und gestern – o Gott, gestern habe ich mich so danebenbenommen, nach dieser Sache, die letztlich wirklich nur ein Unfall war. Aber trotzdem. Du weißt ja, was diese dummen Hühner für Daisy bedeuten. «
    Sie stand jetzt am Spülbecken und trocknete Gläser ab in jener automatisierten, fieberhaften Weise, die Frauen zu eigen ist, wenn sie versuchen, sich zu beruhigen, indem sie sich an eine einfach häusliche Tätigkeit klammern.
    »Was ist denn gestern passiert?« Mir brummte noch immer der Kopf, und ich spürte, wie mein Herz heftig schlug.
    Sie drehte sich um. »Ach so, natürlich, das weißt du ja gar nicht. Hugh hat mit Luca unten am See einen Spaziergang gemacht und hatte das Luftgewehr dabei. Er ist nächstes Wochenende bei der Jagd hier dabei, und da unten in Florenz kriegt er nicht gerade viel Übung. Er hat versehentlich eines von Daisys Hühnern erschossen.«
    »Oh Gott. Sie wird außer sich sein.«
    »Das ist sie. Ich habe sie gestern in der Schule angerufen, ich meine, es kommt ja von Zeit zu Zeit vor, dass sie einfach tot von der Stange kippen, und letzten Winter hat der Fuchs eines geholt, aber diese Henne war die Mutter
von all ihren Küken. Und die Tatsache, dass Luca es war, hat es für Daisy besonders schlimm gemacht. ›Er hat sie ermordet!‹, hat sie immer wieder gesagt. ›Mum, er hat sie ermordet.‹ Und natürlich hat es mich aufgeregt, dass sie sich so aufgeregt hat. Und als ich dann fertig war mit Telefonieren und er herbeigeschlendert kam und – ziemlich cool – nachgefragt hat, wie es ihr ginge, da habe ich gesagt: ›Ja, was glaubst du wohl? Du hast ihr Haustier erschossen!‹ Und dann bin ich nach oben gerannt. Nicht sehr schlau. Ein Huhn ist kein Streicheltier und er hat es ja nicht mit Absicht getan. Jedenfalls hatten wir keinen besonders netten Abend. Mir war klar, dass ich überreagiert hatte, und als ich wieder runterkam, habe ich mich überschwänglich entschuldigt, und Hugh hat versucht, alles wieder glatt zu bügeln; aber es war nicht gerade hilfreich, dass ich mitgehört habe, wie Luca Seffy, der gerade mit Dad hier ankam, zugeflüstert hatte: ›Ist doch bloß ein verdammtes Huhn.‹ Dad musste mich mit in die Küche nehmen und mit mir reden, mir sagen, dass ich tief durchatmen und bis zehn zählen sollte. Wo wären wir bloß ohne Dad?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich und war mir bewusst, dass ich vor Kurzem genau den gleichen Gedanken gehabt hatte.
    »Jedenfalls ist er zum Abendessen geblieben, was gut war – Dad meine ich –, und er war super mit beiden Jungs. Er kriegt nicht diese kalten, funkelnden Augen wie ich. Und Luca kommt gut mit ihm klar und – ach, ich weiß nicht.«
    Ich dachte an Seffys kalt glitzernden Blick von eben. Und in diesem Augenblick wurde mir klar, dass die beiden Jungen eine Menge gemeinsam hatten. Beide waren irgendwie am falschen Ort und nicht wirklich Mitglied
einer Familie. Weit weg von ihren Heimatländern, Kuckuckskinder in anderer Leute Nestern. Jedenfalls fühlten sie sich vielleicht so. Oder man hatte ihnen dieses Gefühl gegeben. Übelkeit stieg in mir auf. Ich dachte an Seffy, der in dem

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