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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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dranzukriegen, aber ich würde nicht anbeißen.
    »Es ist nur, ich mache mir Sorgen, Seffy«, sagte ich
und gab mir alle Mühe, meine Stimme ruhig zu halten. »Du weißt, dass wir eine neue Schule für dich gesucht haben, weil die alte nicht die richtige für dich war, und jetzt kannst du noch einmal ganz von vorne anfangen. Da wäre es doch schade, wenn …«
    »Wir haben keine neue Schule für mich gesucht«, brüllte er so laut, dass sich selbst Laura auf der anderen Seite der Scheibe zu uns umdrehte. »Man hat mich rausgeschmissen, wie du sehr wohl weißt, weil ich eine Flasche Wein getrunken und dabei versehentlich den Aufenthaltsraum in Brand gesteckt habe, als ich besoffen mit einer brennenden Zigarette eingeschlafen bin. Wir haben nicht beschlossen, dass es wegen des sozialen Umfelds und des Unterrichts nicht die richtige Schule für mich war, wie du den Leuten so gerne erzählst, so als könnte ich mir meine Schule aussuchen. Ich bin da, verdammt noch mal, rausgeflogen!« Sein Gesicht war weiß vor Wut, seine Augen funkelten. Er hatte mich noch nie so beschimpft. Ich spürte, wie ich innerlich zusammenschrumpelte, so als hätte eine Hand in mich hineingegriffen und mich zerdrückt wie ein vertrocknetes, altes Blatt.
    »Nein. Nein, du hast völlig recht. Das wissen wir doch beide. Aber ich möchte dich gerne schützen, damit …«
    »Lügen«, sagte er wütend. »Du willst lügen. Du behauptest, du würdest nur die Wahrheit ein bisschen beschönigen, aber Tatsache ist, dass du einfach der Realität nicht ins Auge sehen kannst.«
    Ich spürte förmlich, wie mich die Wucht des Hasses in seiner Stimme traf und zum Schwanken brachte.
    »Ich erzähle allen, die fragen, dass ich rausgeflogen bin, aber du, du musst immer alles aufblasen, oder? Du lügst und schwindelst an allen Ecken und Enden, und weißt du was? Manchmal ist das regelrecht böse.«

    Wir waren jetzt bei der Küche angelangt und ich streckte den Arm aus, um mich mit der flachen Hand an der Wand abzustützen. Ich spürte, wie meine Augenlider unter der Wucht seines Ausbruchs, seiner Anschuldigungen zuckten, konnte bereits Lauras schnelle Schritte auf dem Flur neben der Küche auf uns zulaufen hören. Durch halb geschlossene Lider blickte ich in die wütenden, funkelnden Augen meines Sohnes. Es schien mir, als blickte ich in der Zeit zurück, ganz zurück bis an den Anfang, ganz bis ins tiefste Innere meiner Seele.
    Lauras Hand war auf meinem Arm. »Hattie!« Sie schüttelte mich leicht. »Seffy – was ist los?«
    In dem Augenblick zog sich Seffys Gesicht zusammen. Fiel in sich zusammen wie ein Luftballon, der mit einer Nadel angestochen wurde, und obwohl er sich gleich umdrehte und davonrannte, sah ich doch noch, wie sich seine Augen mit Tränen füllten, wie früher, als er noch ein kleiner Junge war. Aus irgendeinem Grund fiel mir ein Moment ein, als wir zusammen im Urlaub in Kroatien, an der dalmatinischen Küste, waren. Er musste damals ungefähr zehn gewesen sein. Er hatte ein Fort am Strand gebaut. Nicht einfach irgendeine Sandburg – dafür war er schon viel zu alt – nein, es war eine komplizierte Anlage, so wie Camelot, samt Schießscharten und Straßen und einer Zugbrücke. Ein Kind, das rückwärtslief, während es einen Drachen hinter sich her zog, war aus Versehen darüber getrampelt und hatte innerhalb von Sekunden alles ausgelöscht. Es war derselbe Blick des Entsetzens in seinem Gesicht gewesen, so, als wäre seine ganze Welt zusammengebrochen.
    Laura holte mich herein, und es gelang mir, etwas Unverfängliches zu erzählen. Wie sehr es mich schockiert hatte, dass Seffy suspendiert worden war, und wie ich ihn
mir jetzt gerade vorgeknöpft hatte. Was wirklich dumm von mir war. Wie sauer ich war, nach all dem, was geschehen war. Aber dann hielt ich plötzlich inne, denn ich konnte mich nicht mehr erinnern, welche Version Laura kannte, die gelogene oder die, dass Seffy aus freien Stücken die letzte Schule verlassen und woanders hingegangen war. Glücklicherweise gab sie mir das Stichwort, als sie sich jetzt mit mir zusammen hinsetzte, ihre Hand noch immer auf meinem Arm.
    »Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, weil er ja schon einmal von der Schule geflogen ist.«
    Ja, ja richtig, ich hatte es ihr erzählt. Mum war diejenige, die nichts wusste. Dad schon. Seffy hatte es ihm erzählt. Mein Mund war aber sehr trocken, und ich war dankbar für das Glas Wasser, das sie mir hinstellte. Ich trank es mit schnellen Schlucken aus. Es schien

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