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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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meiner Familie. Ich war mir nicht sicher, ob man dem so rasch nachgeben sollte. Irgendwie erschien es mir verfrüht, so als würde man bereits als Teenager Nierenwärmer tragen.
    Aber es sollte ja nur ein Sprungbrett für andere Dinge sein, überlegte ich. Forschung vielleicht? Forschung. Das klang seriös. Das konnte ich Kirsten erzählen. Und was für eine Chance! Der Regierungssitz. Die Vorhallen der Macht. Ich sah mich bereits in einem knallengen Bleistiftrock einem sehr gut aussehenden, wichtigen Mann hinterhereilen: »Tristan – Tristan, deine Rede!«
    »Würdest du ihn mal fragen?«, sagte ich eifrig und blickte dabei tief in Hals Augen, was nicht sehr nett von mir war.
    »Natürlich. Oder du kannst ihn selbst fragen. Er kommt in paar Wochen zur Examensfeier her.«
    Und das tat er wirklich. Ich hatte eine wellblechartige
Pomadenfrisur erwartet samt gerötetem Gesicht und plumpem Auftreten und Nadelstreifen von oben bis unten. Stattdessen erschien ein groß gewachsener Typ mit goldblondem Haar, gewinnendem Lächeln und klugen, heiteren Augen, die in den Augenwinkeln in kleine Fältchen mündeten. Außerdem hatte er einen sehr dreckigen Spaniel dabei und trug eine abgewetzte Barbourjacke und Stiefel, für die er sich entschuldigte, als er zu uns in die Wohnung kam, um sich umzuziehen.
    »Wir waren zur Jagd in Fife«, erklärte er, schlug seinem kleinen Bruder auf die Schulter und lächelte Kirsten und mich an, die wir für die Feier herausgeputzt in unseren schicksten, dunkelsten Oxfam- oder Topshop-Klamotten dastanden. Unsere kleine Kellerküche hatte noch sie so gut ausgesehen, während er darin umhersprang und uns seine ebenso blonde Frau, Letty, vorstellte. »Es war arschkalt dort oben! Wir sind gerade erst wieder aufgetaut.«
    Jagd. Dies war meine erste Begegnung mit der Kleidung, dem Duft der großen weiten Welt, der violetten Heide, dem Glamour, der Exklusivität, dem Geld, der Gefahr, den Waffen: All das schien mir in dieser schäbigen Kellerküche in Edinburgh entgegenzuschlagen.
    »Die habe ich dir mitgebracht, Hal. Ich habe sie in einer der Pausen erlegt. Oder vielleicht sollte ich sie lieber den Mädels hier geben.«
    Zwei tote Kaninchen, mit glasigen Augen und hängenden Köpfen wurden aus einer Tasche geholt, und ich schaffte es mit Mühe, nicht zu schreien. Aber Kirsten schrie auf und sprang einen Schritt zurück.
    »Soll ich sie für euch abziehen?«, fragte Dominic überrascht, während ich die Hand ausstreckte und sie ihm abnahm. Dabei gab ich mir große Mühe, nicht zu würgen,
immerhin hatte ich noch nie ein totes Tier berührt. »Nein, nein, das mache ich schon. Wie nett!«
    Er lächelte mir in die Augen, und es kam mir vor, als käme für einen kurzen Moment eine besondere Verbindung zwischen uns zustande.
    »Ich mach das später«, sagte Hal und nahm sie mir rasch aus der Hand. »Ihr zieht euch jetzt lieber um.« Letzteres war an seinen Bruder gerichtet. »Die Feier fängt in einer Stunde an.«
    Dominic und Letty waren in loco parentis hier, da Hals Mutter im Ausland und sein Vater gestorben war. Als sie aus seinem Zimmer kamen und auch später, als wir alle zusammen mit unseren Familien über den Campus zur McEwan-Hall trabten, dachte ich, wie spektakulär die beiden aussahen: Dominic in einem dunkelgrauen Anzug, Letty in einem weich fließenden, cremefarbenen Kleid, mit Perlenkette, schrägem Strohhütchen, witzigen Schühchen. Sie hatte einen ganz eigenen, künstlerischen Stil. Sogar meine Mutter, die wie immer umwerfend aussah in grau changierender Seide und die sich nie gerne die Schau stehlen ließ, hatte die beiden bemerkt.
    »Wer ist denn dieser gut aussehende Mann, mein Schatz? Gehört der zu deinem Mitbewohner?«
    »Ach, das ist Dominic Forbes, sein Bruder. Er ist ein MP.« Ich konnte den Blick nicht von ihm wenden. Ebenso wenig, wie ich die Begeisterung verhehlen konnte, die in meiner Stimme mitschwang.
    »Ach ja, natürlich. Darling«, sie stupste meinen Vater an. Wir betraten gerade den Saal und suchten nach unseren Plätzen, »das ist Dominic Forbes.«
    Mein Vater, der sich einen Programmzettel genommen und seine Lesebrille aufgesetzt hatte, hob den Kopf und linste darüber hinweg. »Tatsächlich«, sagte er in seinem
weichen Bostoner Tonfall. »Das freundliche Gesicht des Kapitalismus. So sagt man.«
    »Ihr habt von ihm gehört?«
    »Natürlich«, sagte Mum. »Er ist ständig in der Zeitung. Er ist das jüngste Kabinettsmitglied seit fünfzig Jahren und sein Vater war Peter

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