War da noch was - Roman
waren. Zu Seffy und mir. Zugegeben, das Erste war nicht leicht gewesen. Mum war außer sich gewesen vor Sorge und überzeugt, dass ich mein Leben »verpfuscht« hätte, aber Dad hatte mich nach dem ersten Schock verstanden. Kit natürlich sowieso und Laura ebenfalls, weil sie zufälligerweise auch gerade ein Kind erwartete. Nach dem ersten Schrecken, dass sie von ihrem Freund schwanger war, der noch nicht geschieden war, erklärte sie sich bald zur glücklichsten Frau der Welt, als Hugh, der glücklichste Mann, ihr umgehend einen Heiratsantrag machte und die Scheidung von Carla einreichte. So kam es, dass in diesem Jahr unerwartet gleich zwei Babys im Schoß der Familie Carrington landeten, und wie selbst meine Mutter zugeben musste, während sie sich begeistert seufzend über die beiden in ihren Bettchen beugte: Was konnte es Schöneres geben?
Jetzt sah ich sie zusammen über den Bahnhofsvorplatz kommen. Sie waren in ein heißes Streitgespräch verstrickt, was nicht selten vorkam. Beide waren groß und schlank, Biba blond und Seffy dunkel, mit wunderschönen
mandelförmigen Augen: Cousine und Cousin, die von Anfang an zusammen aufgewachsen waren. Daisy hingegen, blond und verträumt, blieb ein wenig hinter ihnen zurück.
»Hallo, Hattie.« Biba küsste mich beiläufig. Ihre Wangen waren gerötet. »Seffy sagt, dass die Mädchen an meiner Schule als Stevens-Schlampen bekannt sind – das ist doch ätzend, oder? Warum sind Jungs so fies? Liegt das daran, dass sie grundsätzlich unreif sind und Angst vor uns haben?«
»Zweifellos«, pflichtete ich ihr bei und küsste meinen Sohn. »Hallo, mein Schatz.«
»Mum, ich habe nur gesagt, dass die Mädels in St. Stevens in der Regel unordentlich sind. Dabei habe ich das Wort ›Schlampe‹ in seinem ursprünglichen Sinne verwendet und meinte nicht den moderneren Sprachgebrauch, der eine Frau mit lockerer Moral impliziert, was selbstverständlich eine ungeheuerliche Verunglimpfung ihrer Persönlichkeiten wäre. Was ist daran falsch?« Dabei riss er die Augen in gespielter Empörung weit auf, während Biba ihn in die Seite knuffte. Lachend schnappte er ihre Handgelenke in der Luft.
»Ohh, hey«, schnurrte er. »Entspann dich. Du bist ja ganz aufgeregt.«
»Du bist schrecklich, echt!«
»Einfach atmen«, kommandierte er. »Ein und aus.«
Ich achtete nicht auf die beiden und begrüßte Daisy.
»Hallo, mein Schatz.«
»Hi, Hattie. Hast du meine Mädels schon gesehen?«
»Nicht kürzlich, aber als ich das letzte Mal hingeschaut habe, schienen sie in bester Verfassung zu sein. Ich fürchte aber, dass Hühner nicht so mein Ding sind, vielleicht kann ich es also nicht gut genug beurteilen.«
»Bantams«, korrigierte sie mich, als ich ihr die Tasche abnahm, die eine Tonne wog. Warum diese Mädchen nur ihre gesamte Garderobe mitschleppen mussten für ein Wochenende zu Hause, war mir schleierhaft. Seffy dagegen hatte, typisch Junge, anscheinend gar nichts mitgebracht. Nicht einmal eine Zahnbürste oder eine Unterhose, wie ich feststellte, als er sich lachend auf den Rücksitz des Autos quetschte, noch immer unter Beschuss von Bibas Fäusten. Sie sagte ihm genau, was die Mädchen an ihrer Schule von den Jungen an seiner dachten, die scheinbar allesamt arrogante Idioten ohne eine einzige Hirnzelle waren. Auch Daisy mischte sich ein und berichtete, dass der Vater ihrer Freundin Fernsehproduzent war und überlegte, ob er nicht eine Dokumentation über die Jungs in der Lightbrook-Schule in Berkshire, wo Seffy war, machen und dem Ganzen den Titel »Rückgratlose Kerle« geben sollte. Seffy blaffte mit gespielter Empörung zurück.
»Was hast du bloß hier drin?« Ich wuchtete Bibas Koffer in den Kofferraum, während sie zu Seffy auf den Rücksitz kletterte. Der Koffer war noch schwerer als der ihrer Schwester.
»Ich war mir nicht sicher, wie schick wir uns heute Abend machen sollten, weil Mum sagte, es gäbe eine Dinnerparty, deswegen habe ich ein paar Sachen mitgenommen. «
»Eine Dinnerparty?« Seffy und Daisy machten entsetzte Gesichter.
Der Sinn eines Heimfahr-Wochenendes war doch, nach Hause zu kommen – was für Seffy entweder unser Haus in London oder das hier bei seinen Cousinen war – sich dann sechsunddreißig Stunden lang vor dem Fernseher in die Horizontale zu begeben, ordentlich zu essen und
zu trinken, auch das vorzugsweise nur in liegender Position, sich um die Kontrolle der Fernbedienung zu streiten, ansonsten aber gar nichts zu tun. Das Letzte, was da
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