War da noch was - Roman
eine richtige Inszenierung!«, sagte Ralph gerade und drehte sich mit erhobenen Armen im Kreis. »Sie haben den Platz … nutzen Sie ihn! Sie müssen ihn unterstreichen, nicht vollstellen! Ich würde diese ganzen Sessel dort hinten wegschaffen.« Mit einer abfälligen Handbewegung fegte er die störenden Objekte hinweg, meinen Vater eingeschlossen. »Das muss alles weg. Und was ich hier im Kopf habe, wäre eine Muschel.«
»Eine Muschel?«, fragte Laura.
»Ja, eine Muschel.«
Laura und meine Mutter machten verwirrte Gesichter, was nicht verwunderlich war. Sie rangen um Verständnis.
»Sie meinen ein muschelförmiges Sofa?«, fragte Mum vorsichtig.
»Nein, nein, gnädige Frau, ganz und gar nicht!«, wehrte Ralph entsetzt ab. »Eine richtige Muschel, wissen Sie. Eine Riesenmuschel.« Er demonstrierte ihre Ausmaße mit weit ausgestreckten Armen.
»Ach so, eine echte Muschel«, sagte meine Mutter, als ob nun alles klar wäre und jeder Haushalt über eine verfügen sollte. »Ich verstehe.« Sie nickte nachdrücklich.
»Ein tropisches Meerestier aus der Familie der Gastropoden. «
»Ja, ja.« Mum schloss die Augen und hielt die Hände mit den Handflächen nach oben, als wären keine weiteren Erklärungen notwendig.
»Ich kann eine direkt aus Peru schicken lassen, mit
einem großen, offenen Maul, so …«, Ralph riss den Mund weit auf, und Mum trat erschreckt einen Schritt zurück, »… das lässt an Geburt und Erneuerung denken. Eine neue Familie im Haus, verstehen Sie? Und wir werden sie am hinteren Ende der Halle platzieren, sodass wir, wenn wir an der Treppe vorbeikommen«, er tippelte anmutig vorüber, »hier darauf stoßen … voilà .« Er blieb stehen und wandte die Handflächen in Richtung meines Vaters.
»Oh!« Meine Mutter schlug begeistert die Hände zusammen. »Ja, ich verstehe. Eine Art Symbol, Laura.« Sie drehte sich zu ihrer Tochter um.
»Aber … ist das nicht furchtbar unbequem?«, fragte Laura, noch immer verwirrt. »Ich meine, um darin zu sitzen? Oder …«
»Nein, nein, das ist nur zum Drumherumgehen und Bewundern. Zum Bestaunen und Betrachten. Das ist lebendige Kunst.«
»Teuer?«, warf Hugh ein, der ganz zufällig hinter einer Tür gestanden und alles mit angehört hatte.
»Aber mein lieber Lord Pelham, die Muschel kommt aus dem tiefsten Peru. Das ist ein seltenes, uraltes Stück und natürlich nicht billig. Aber Sie werden sie für immer haben, und keiner, absolut gar keiner, wo immer Sie hingehen, wird so eine haben. Sie werden Sie kein zweites Mal sehen.«
»Aus gutem Grund«, murmelte Dad hinter seinem Tribune .
»Ich verstehe.« Das gefiel Laura. »Und darum herum …?« Sie machte eine hilflose Geste und ging zu Dad und den Sesseln hinüber.
» Rien «, sagte Ralphie bestimmt und folgte ihr. »Kein Kram, keine Möbel, keine Bilder an den Wänden. Nur ein einziges sehr gutes, sehr bedeutendes Stück.« Dabei
dehnte er das »eu« in »bedeutend« mehr, als unbedingt nötig gewesen wäre.
»Mollusken«, warf Dad ein.
Ralph neigte fragend den Kopf, seine Augenlider flatterten.
»Riesenmuscheln sind Mollusken«, erklärte Dad. »Schalenweichtiere.«
Ralph lächelte als Zeichen seines Eingeständnisses.
»Nun ja, wir werden darüber nachdenken«, hauchte Laura. »Und der Boden?«
»Der muss weg.«
»Weg?« Sie blickte auf die Fliesen hinunter.
Ralph schauderte. »Grauenvoll. Jahrhundertwende. Kein Alter. Allerschlimmste Arts and Crafts -Bewegung. Ich dachte an französischen Kalkstein, durchgehend im ganzen Haus.«
Hugh keuchte und verschwand. Laura wirkte überfordert. Sie war sich bewusst, einem ungeheuren Talent gegenüberzustehen, zugleich sah sie sich aber auch mit einer Scheidung konfrontiert, wenn sie nicht vorsichtig war.
»Oh, äh, also«, warf sie unsicher ein und kratzte sich am Bein. »Die Sache ist die, der Boden muss möglicherweise so bleiben. Das ist nämlich so ein Familiending. Es wäre ganz furchtbar für Hughs Eltern.«
Ralph sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen.
»Aber, die Schale, äh Muschel, ist bestimmt eine ganz tolle Idee«, schwärmte sie.
»Zusammen mit der Statue von Sankt Dingsbums im Speisezimmer und der Schale im Salon«, bemerkte mein Vater.
»Schale?«, fragte Maggie, die bislang heldenhaft den Mund gehalten hatte.
»Wahnsinnig symbolisch«, flüsterte Mum ihr zu. »Und Mr de Granville ist fest davon überzeugt, dass man in jedem Raum ›ein bedeutendes Stück‹ haben sollte«, auch sie zog das »eu« in die
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