Warcraft - 2
kein Krieger«, sagte Thrall. »Und dies ist kein ehrenhafter Kampf. Ich dachte, den Orks ist ihre Ehre wichtig.«
»Das ist sie«, stimmte Iskar zu, »aber vor dir liegt eine zukünftige Bedrohung. Verteidige dein Volk.«
»Er ist ein Kind!«, rief Thrall aus. »Er ist jetzt keine Bedrohung, und wer kann schon sagen, was aus ihm wird? Ich erkenne die Kleidung, die er trägt und weiß, aus welchem Dorf er stammt. Die Leute dort sind Bauern und Viehzüchter. Sie leben von dem, was sie an-bauen und züchten. Mit ihren Waffen jagen sie Hasen und Rehe, keine Orks.«
»Aber es ist wahrscheinlich, dass dieser Junge im nächsten Krieg in der ersten Reihe stehen wird und dass ihm mit einem Speer in der Hand nach unserem Blut giert«, antwortete Iskar. »Willst du Hellscream sehen oder nicht? Wenn du das Kind nicht tötest, kannst du sicher sein, dass du diese Höhle nicht lebend verlässt.«
Der Junge weinte jetzt lautlos. Thrall dachte an seinen Abschied von Taretha und an ihre Erklärung für das Weinen. Ihr Bild füllte seinen Geist aus. Er dachte an sie und an Sergeant. Er dachte daran, wie traurig er gewesen war, als sein Anblick das kleine Mädchen in dem Dorf geängstigt hatte.
Und dann dachte er an Blackmoores gutaussehendes, widerwärtiges Gesicht, an all die Männer, die ihn angespuckt, ihn »Monster«,
»Grünhaut« und Schlimmeres geschimpft hatten.
Aber diese Erinnerungen rechtfertigten keinen kaltblütigen Mord.
Thrall traf seine Entscheidung. Er ließ das blutige Kriegsbeil zu Boden fallen.
»Wenn dieser Junge irgendwann die Waffen gegen mich erhebt«, sagte er und wählte seine Worte mit Bedacht, »dann werde ich ihn auf dem Schlachtfeld töten. Und ich werde ein gewisses Vergnügen dabei empfinden, weil ich weiß, dass ich für die Rechte meines Volkes kämpfe. Aber ich werde kein gefesseltes Kind töten, das hilflos vor mir liegt, auch wenn es ein Mensch ist. Wenn das bedeutet, dass ich Hellscream nicht sehen werde, dann soll es so sein. Wenn es bedeutet, dass ich euch alle bekämpfen und schließlich fallen muss, dann sage ich erneut, dass es so sein soll. Ich würde eher sterben, als eine solch ehrlose Grausamkeit zu begehen.«
Er spannte sich an, streckte die Arme aus und wartete auf den Angriff, der nun folgen musste. Iskar seufzte.
»Schade«, sagte er, »aber du hast dein eigenes Schicksal gewählt.«
Er hob seine Hand.
Im gleichen Moment erschütterte ein furchtbarer Schrei die ruhige kühle Luft. Der Laut vibrierte und raste durch die Höhle, schmerzte in Thralls Ohren und traf ihn bis ins Mark.
Das Fell vor einer der Höhlen wurde herunter gerissen, und ein großer, rotäugiger Ork trat ein. Thrall hatte sich an den Anblick seines Volkes gewöhnt, doch dieser Ork sah anders aus als die, die er bisher gesehen hatte.
Langes schwarzes Haar lag struppig auf seinem Rücken. Jedes Ohr war mehrfach durchstochen, was Thrall irgendwie an Sergeant erinnerte. Rund ein Dutzend Ohrringe blitzten im Licht des Feuers. Rot-schwarze Lederkleidung bildete einen starken Kontrast zur grünen Haut, und die Ketten, die von Teilen des Körpers hingen, schwan-gen bei jeder Bewegung hin und her. Die Kiefer schienen schwarz angemalt zu sein, und in diesem Moment waren sie weiter geöffnet, als Thrall es für möglich gehalten hätte. Die dahinterliegende Kehle machte diesen entsetzlichen Lärm, und Thrall begriff, dass dieser Ork den Namen Grom Hellscream aus gutem Grund trug.
Der Schrei verging, und Grom sprach. »Ich hätte nie gedacht, das zu sehen!« Er ging auf Thrall zu und starrte ihn an. Seine Augen hatten die Farbe des Feuers, und an Stelle der Pupillen schien etwas Dunkles und Angsteinflößendes in ihrer Mitte zu tanzen. Thrall vermutete, dass die Bemerkung abfällig gemeint war, wollte sich aber nicht einschüchtern lassen. Er richtete sich zu seiner ganzen beein-druckenden Größe auf, um dem Tod mit erhobenem Haupt entge-genzutreten. Er öffnete seinen Mund, wollte Grom antworten, doch der Ork-Häuptling fuhr bereits fort.
»Wieso weißt du, was Gnade bedeutet, Thrall von Durnholde?
Wieso weißt du, wann und aus welchen Gründen man sie anbietet?«
Die Orks murmelten untereinander verwirrt. Iskar verneigte sich.
»Edler Hellscream«, begann er, »wir dachten, dass die Gefangen-nahme dieses Kinds Euch gefallen würde. Wir erwarteten …«
» Ich würde erwarten, dass seine Eltern ihm bis zu unserem Lager folgen, du Narr!«, schrie Grom. »Wir sind gefürchtete und stolze Krieger. Zumindest
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