Warm Bodies
dich und lass mich tun, was ich tun muss.«
Ich schlucke den Kloß in meinem Hals. Okay.
Ich hebe mein Gewehr auf und drehe mich um, und genau in diesem Moment erreicht das Poltern unser Stockwerk.Die Türen fliegen auf, und brüllend stürmen sie herein. Wir knallen sie ab, knallen sie ab, knallen sie ab, aber es sind zu viele, und sie sind schnell . Ich werfe mich über Julie und schütze sie so gut ich kann.
Nein. O Gott. Das habe ich nicht gewollt.
Ein großer Dünner ist plötzlich hinter mir und packt meine Beine. Ich falle und schlage gegen den Tisch und alles blitzt rot. Alles ist falsch, aber als sich das Rot in Schwarz verwandelt, gestatte ich mir noch einen Jubelschrei, einen letzten selbstsüchtigen Orgasmus, bevor ich für immer schlafe.
Endlich. Endlich!
Und dann …
»Perry.« Ein Stoß in meine Rippen. »Perry!«
»Was?«
»Schlaf jetzt nicht auf mir ein.«
Ich öffne die Augen. Das Sonnenlicht, das eine Stunde auf meine geschlossenen Lider geschienen hat, hat alle Farben der Welt zu einem bläulichen Grau verblichen, wie ein altes Filmplakat in einem verwaisten Videoladen. Ich hebe den Kopf und sehe sie an. Sie lächelt boshaft und verpasst mir noch einen Stoß. »Schon gut. Schlaf weiter.«
Hinter ihrem Gesicht sehe ich die weißen Säulen der überwölbten Dachgänge des Stadions und dahinter den tiefblauen Himmel. Langsam lasse ich den Blick zwischen ihr und dem Himmel hin-und herwandern, lasse ihr Gesicht in einer pfirsichgoldenen Wolke verschwimmen und stelle es dann wieder scharf.
»Was?«, fragt sie.
»Erzähl mir was Schönes.«
»Wie, schön?«
Ich setze mich hin und verschränke die Arme über denKnien. Ich schaue auf die Stadt, die bröckelnden Gebäude, die leeren Straßen und den verwaisten Himmel, der ohne die Flieger und ihre weißen Skizzen so klar und blau und tödlich still ist.
»Sag mir, dass das nicht das Ende der Welt ist.«
Für eine Weile liegt sie bloß da und schaut in den Himmel. Dann setzt sie sich auf und zieht einen Ohrstecker aus ihrem zersausten blonden Haar. Sie drückt ihn mir sanft ins Ohr.
Das trillernde Strumming einer kaputten Gitarre, das Anschwellen eines Orchesters, die Oohs und Aahs eines Studiochors und John Lennons matte, benommene Stimme, die von endloser, unsterblicher Liebe singt. Alle, die diesen Song spielen, sind jetzt Knochen in einem Grab, und doch sind sie hier, erregen und locken mich, rufen mich, immer wieder. Als der Song ausklingt, bricht etwas in meinem Innern, und mir kommen die Tränen. Die blendende Wahrheit und die unvermeidliche Lüge, Seite an Seite, wie Julie und ich. Kann ich beides haben? Kann ich in dieser todgeweihten Welt leben und Julie trotzdem lieben? Wenigstens in diesem Augenblick, da das weiße Kabel zwischen unseren Ohren mich an ihr Hirn bindet, spüre ich, dass ich es kann.
Nothing’s gonna change my world , singt Lennon, wieder und wieder. Nothing’s gonna change my world.
Julie singt einen hohen Akkord, und ich brumme einen tiefen. Dort auf dem heißen weißen Dach des letzten menschlichen Außenpostens sehen wir auf unsere rapide, hoffnungslos und unwiederbringlich sich verändernde Welt und singen:
Nothing’s gonna change my world. Nothing’s gonna change my world.
Ich starre wieder an die Flughafendecke. Ich stopfe mir den letzten Happen von Perrys Hirn in den Mund und kaue, aber nichts geschieht. Die Geschichte ist zu Ende. Das Leben ist verbraucht.
Meine Augen brennen wieder, betteln um Tränen, die meine Kanäle nicht liefern können. Mir ist, als hätte ich jemanden verloren, der mir sehr nahe gestanden hat. Einen Bruder. Einen Zwilling. Wo ist seine Seele jetzt? Bin ich Perry Kelvins Leben nach dem Tod?
Endlich schlafe ich wieder ein. Ich bin in der Dunkelheit. Die Moleküle meines Verstandes sind immer noch verstreut, und ich treibe durch einen ölig schwarzen Raum und versuche, sie wie Glühwürmchen aufzulesen. Jedes Mal, wenn ich einschlafe, weiß ich, dass ich vielleicht nie wieder aufwache. Wer könnte etwas anderes erwarten? Man lässt seinen winzigen, hilflosen Geist in einen bodenlosen Brunnen fallen, drückt die Daumen und hofft, dass er, wenn man ihn an seiner hauchdünnen Angelschnur wieder hochzieht, nicht bis auf die Knochen abgenagt ist von den namenlosen Bestien da unten. Hofft, dass man überhaupt was nach oben zieht. Vielleicht schlafe ich deshalb nur ein paar Stunden im Monat. Ich will nicht noch einmal sterben. Das ist mir klarer und klarer geworden in
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