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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Marion
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plötzlichen Ausbruch von Anarchie im staatlich anerkannten Programm ihres Lebens?
    M rennt quer über die Straße und kreuzt unseren Fluchtweg. Kaum ist er vorbei, die Knochen unmittelbar hinter sich, trete ich das Gaspedal durch. Dann krachen zweitausend Kilo deutscher Ingenieurskunst in ihre morschen Knochenkörper. Sie zerschellen. Anatomische Fragmente fliegen umher. Zwei Oberschenkelknochen, drei Hände und ein halber Schädel landen im Wagen, wo sie auf den Sitzen vibrieren, zucken, trockenes Keuchen und insektengleichesSurren von sich geben. Julie schleudert sie aus dem Auto und wischt sich hektisch die Hände an ihrem Sweatshirt ab. Sie schüttelt sich vor Ekel und wimmert: »O mein Gott, o mein Gott …«
    Aber wir sind in Sicherheit. Wir jagen am Ankunftsbereich vorbei auf den Freeway und raus in die weite, von wirbelnden Gewitterwolken überwölbte Welt. Ich sehe Julie an. Sie sieht mich an. Als die ersten Regentropfen fallen, lächeln wir beide.

Zehn Minuten später spielt der Sturm seine große Eröffnung, und wir werden nass bis auf die Haut. An einem Tag wie diesem ist das Cabrio eine schlechte Wahl. Keiner von uns weiß, wie man das Dach hochfährt, also fahren wir schweigend, und der strömende Regen prasselt auf unsere Köpfe. Doch wir beklagen uns nicht. Wir versuchen, optimistisch zu bleiben.
    »Weißt du, wohin du fährst?«, fragt Julie nach etwa zwanzig Minuten. Ihr Haar klebt platt an ihrem Kopf.
    »Ja«, sage ich und gucke die Straße runter auf den dunkelgrauen Horizont.
    »Bist du sicher? Ich hab nämlich keine Ahnung.«
    »Ganz … sicher.«
    Ich möchte ihr lieber nicht erklären, warum ich die Strecke zwischen Flughafen und City so gut kenne. Unsere Jagdstrecke. Ja, sie weiß, was ich bin und was ich mache, aber muss ich sie daran erinnern? In den sonnigen Bereichen meiner Phantasie sind wir kein Teenager mit einem wandelnden Leichnam, die zusammen durch einen Regenguss fahren. Wir sind Frank und Ava, die über die von Bäumen gesäumten Landstraßen fahren, während ein nachkratzigem Vinyl klingendes Orchester unserem Soundtrack die Sinne raubt.
    »Vielleicht sollten wir anhalten und nach dem Weg fragen.«
    Ich werfe ihr einen Blick zu. Ich schaue auf die zerfallenden Stadtteile ringsum. In der Abenddämmerung sind sie fast schwarz.
    »Nur Spaß«, sagt sie, ihre Augen spähen unter nassverklebten Haarsträhnen hervor. Sie lehnt sich zurück und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. »Sag Bescheid, wenn du eine Pause brauchst. Du fährst wie eine alte Frau.«
    Als sich im Fußraum die ersten Pfützen sammeln, bemerke ich, dass Julie ein wenig zittert. Es ist ein warmer Frühlingsabend, aber sie ist durchnässt, und im Inneren des alten Cabrios tobt der Fahrtwind wie ein Zyklon. Ich nehme die nächste Ausfahrt, und langsam gleiten wir hinein in den stillen Friedhof einer Vorstadtsiedlung. Julie sieht mich fragend an. Ich höre ihre Zähne klappern.
    Langsam fahre ich an den Häusern vorbei, auf der Suche nach einem geeigneten Platz für die Nacht. Schließlich biege ich in eine unkrautüberwucherte Sackgasse ein und parke neben einem verrosteten Plymouth Voyager. Ich nehme Julies Hand und ziehe sie zum nächsten Haus. Die Tür ist verschlossen, aber ein leichter Tritt, und das trocken-morsche Holz gibt nach. Das kuschelige kleine Nest einer längst toten Familie ist noch halbwegs warm. Überall im Haus finden sich alte Coleman-Laternen. Kaum dass Julie sie angezündet hat, sorgen sie für ein flackerndes Zeltplatzleuchten, das etwas eigenartig Tröstliches hat. Julie schlendert durch die Küche und das Wohnzimmer, sieht sich Spielzeug, Geschirr und alte Zeitschriftenstapel an. Sie hebt einen Koalabär aus Plüsch auf und schaut ihm in die Augen.
    »Trautes Heim, Glück allein«, murmelt sie.
    Sie greift in ihre Kuriertasche, holt eine Polaroidkamera raus, richtet sie auf mich und schießt ein Foto. Der Blitz wirkt schockierend an diesem dunklen Ort. Sie grinst über meine erschrockene Miene und hält die Kamera hoch. »Kommt dir bekannt vor? Ich hab sie gestern Morgen aus dem Versammlungsraum der Skelette geklaut.« Sie reicht mir das Foto, das sich gerade entwickelt. »Es ist wichtig, die Erinnerung zu bewahren. Vor allem jetzt, wo die Welt langsam verschwindet.« Sie schaut durch den Sucher, dreht sich langsam im Kreis und knipst den ganzen Raum. »Alles, was du siehst, könntest du zum letzten Mal sehen.«
    Ich wedele mit dem Foto in meiner Hand. Ein geisterhaftes Bild nimmt Formen

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