Warm Bodies
die Arme um sie und halte sie so fest, als könnte ich unsere Gene verschmelzen. Stirn an Stirn stehen wir da, und ich bin drauf und dran, sie zu küssen, doch stattdessen trete ich zwei Schritte zurück, und wir fallen aus der Tür.
Wir stürzen wie ein abgeschossener Vogel. Meine Arme und Beine umfassen sie, bedecken ihren winzigen Körperfast ganz. Wir krachen durch einen Vorbau, ein Stützbalken reißt meinen Oberschenkel auf, mein Kopf prallt an einem Träger ab, wir verheddern uns im Werbebanner einer Mobilfunkfirma, reißen es entzwei, und dann, endlich, schlagen wir auf. Ein Chor aus Krachen und Knirschen schießt durch meinen Körper, als mein Rücken die Erde küsst und Julies Gewicht meine Brust plattdrückt. Hustend und nach Luft ringend rollt sie sich von mir. Ich liege da und starre zum Himmel hinauf. Da wären wir.
Julie rappelt sich auf Hände und Knie und kramt ihren Inhalator aus ihrer Tasche. Sie nimmt einen Stoß und hält ihn in der Lunge, während sie sich mit einem Arm abstützt. Als sie wieder atmen kann, beugt sie sich über mich, die nackte Angst in den Augen. Ihr Gesicht verfinstert die dunstige Sonne. »R!«, flüstert sie. »Hey!«
So langsam und wackelig wie am ersten Tag, als ich von den Toten auferstand, rappele ich mich hoch. In meinem Körper knirschen diverse Knochen und reiben aneinander. Ich lächle, und in meinem belegten, unmelodischen Tenor singe ich: »You make … me feel so young …«
Sie lacht los und umarmt mich. Ich spüre, dass der Druck ein paar Gelenke an ihren Platz zurückschnappen lässt.
Sie blickt zur Tür hinauf. Rosso steht da oben im Rahmen und sieht zu uns herab. Julie winkt ihm zu, und er verschwindet mit einem Tempo, das auf Verfolgung schließen lässt. Ich versuche dem Mann seine Muster nicht zu neiden – vielleicht sind in seiner Welt eben Befehle einfach Befehle.
Also laufen Julie und ich in die Stadt. Mit jedem Schritt spüre ich, dass mein Körper sich festigt, Knochen sich richten, Gewebe sich härtet, damit ich nicht auseinanderfalle. Ist das eine Art Heilung?
Wir hasten durch die leeren Straßen, vorbei an zahllosen verrosteten Autos, Trümmer-und Blätterhaufen. Wirkümmern uns nicht um Einbahnstraßen. Wir missachten Stoppschilder. Vor uns: der Stadtrand, die hohen Grashügel, wo die Stadt sich öffnet und der Freeway nach anderswo führt. Hinter uns: das unbarmherzige Dröhnen der Spähpanzer, die aus dem Stadiontor stoßen. Das darf nicht sein! , verkünden die Eisenfresser, die die Regeln machen. Findet das Feuer und tretet es aus! Solches Geheul im Rücken, erklimmen wir den Hügel.
Wir sehen uns einer Armee gegenüber.
Sie stehen auf dem grasbewachsenen Feld neben der Auffahrt zum Freeway. Es sind Hunderte. Sie laufen auf der Wiese umher, starren den Himmel oder auch gar nichts an, ihre grauen, eingefallenen Gesichter scheinen seltsam heiter. Aber als die vorderste Linie uns entdeckt, erstarrt sie und schwenkt dann in unsere Richtung. Diese Bewegung breitet sich wellenförmig aus, bis die ganze Meute strammsteht. Julie wirft mir einen amüsierten Blick zu, als wollte sie sagen : Echt? Dann wogt Unruhe durch die Reihen, und ein stämmiger, kahlköpfiger, fast zwei Meter großer Zombie bahnt sich seinen Weg ins Freie.
»M«, sage ich.
»R«, sagt er. Er nickt Julie kurz zu. »Julie.«
»Hiiii…«, sagt sie und lehnt sich vorsichtig an mich.
Die Reifen unserer Verfolger quietschen, wir hören Motoren aufheulen. Sie sind ganz nah. M erklimmt die Hügelkuppe, und die Menge folgt ihm. Julie drängt sich dicht an mich, als sie uns umspülen und in ihre stinkende Armee aufnehmen, ihre ranzigen Ränge. Vielleicht bilde ich es mir bloß ein oder das Licht spielt mir einen Streich, aber Ms Haut sieht nicht mehr so aschfarben aus wie sonst. Seine unvollständigen Lippen wirken ausdrucksvoller. Und zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, ist sein sorgsam gestutzter Bart nicht blutverschmiert.
Die Laster donnern auf uns zu, doch als der Schwarm der Toten auf der Hügelkuppe in Sicht kommt, werden die Fahrzeuge langsamer und kommen schließlich grollend zum Stehen. Es sind bloß vier. Zwei Hummer H2, ein Chevy Tahoe und ein Escalade, alle soldatengrün lackiert. Von unserem Aussichtspunkt wirken die ungeschlachten Vehikel jämmerlich und klein. Die Tür des Tahoe öffnet sich, und Colonel Rosso steigt langsam aus. Das Gewehr fest umklammert, scannt er die Reihen schwankender Körper, Chancen und Strategien abwägend. Seine Augen hinter den
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