Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
Figur.
»Hören Sie, Dr. Gretton«, sagte Meredith verlegen,
»ich schneie da so einfach bei Ihnen herein. Ich hätte vorher schreiben sollen …« So gut sie konnte, schilderte sie ihre bisher vergebliche Suche und erklärte, daß sie die Privatadresse der Grettons von Alwyn bekommen hatte.
»Es ist natürlich mein Vater, den Sie sprechen wollen«, sagte Dr. Gretton.
»Ich heiße übrigens Ursula. Er hat diese Grabung geleitet. Es war eine absolut vergebliche Liebesmüh, doch er hatte das Gefühl, der Versuch könnte sich lohnen. Wie schade, daß er nicht hier ist, er hätte sich sehr gefreut, Sie kennenzulernen. Die Grauen Leute sind nicht mein Thema, daher kann ich Ihnen nicht viel sagen. Ich selbst bin Paläontologin, Ihnen also überhaupt nicht nütze.« Meredith seufzte.
»Ich weiß was«, sagte Ursula plötzlich.
»Er hat eine Kopie von Elias Lintons Tagebuch.« Sie sah Meredith’ Ratlosigkeit.
»Nie von ihm gehört?« Ursula sagte das so, als könne man ihm noch immer irgendwo begegnen.
»Er ist um achtzehnhundertfünfzig herum gestorben. War Lehrer in Bamford und hat über einen Zeitraum von dreißig Jahren ein Tagebuch geführt. Es wurde nie veröffentlicht, und das Original ist in der Bodleian Library. Aber mein Vater hat eine Fotokopie vom größten Teil. Es steht was über den Brand des Gebetshauses drin. Ich erinnere mich, daß er es mir vorgelesen hat, weil es ziemlich aufregend war. Gehen wir in sein Arbeitszimmer, und ich suche es Ihnen heraus.« Matthew Grettons Arbeitszimmer war entsprechend eindrucksvoll, ausgestattet mit Ledersesseln und einem riesigen viktorianischen Schreibtisch. Die Wände waren mit Bücherregalen bedeckt. Ursula kramte in einem Schrank und tauchte mit einem Stapel loser Blätter auf, die von einer Kordel zusammengehalten wurden.
»Hier haben wir’s.«
»Das ist wirklich schrecklich freundlich von Ihnen«, sagte Meredith.
»Ich hoffe nur, Ihr Vater hat nichts dagegen.«
»Mein Vater würde Ihnen gern helfen. Ich wünschte, ich könnte es.« Sorgfältig begann sie die Seiten umzublättern.
»Ich hoffe nur, das verflixte Kind läßt die Finger von der Farbe. Hier ist es. Kann ich Sie mit der Lektüre allein lassen, während ich kurz rausspringe und nachsehe, was Enid treibt?« Sie verschwand, und Meredith nahm die Blätter zu einem Sessel in einem Erkerfenster mit, setzte sich in einen Sonnenstrahl und begann Elias Lintons Bericht über die Zerstörung des Gebetshauses zu lesen. Er war mit einer kritzeligen, regelmäßigen Schrift geschrieben, und sie wußte sofort, daß sie das Original sehen mußte. Aber selbst diese mit modernen Mitteln erstellte Kopie konnte die Jahre auslöschen. Heute morgen habe ich erfahren, daß in der Nacht das Gebetshaus der Kongregation, die von den Bürgern der Stadt die Grauen Leute genannt wird, in Flammen aufgegangen und völlig niedergebrannt ist. Wie es scheint, begann das Feuer gegen zehn Uhr abends. Mary Anne Winthrop – Meredith zuckte zusammen –, die das Feuer von ihrem Fenster aus gesehen hatte, aber ihr Zimmer nicht verlassen konnte, weil die Tür versperrt war, kletterte aus demselben Fenster auf einen Bergahornbaum, der dicht am Hause steht. Nur mit dem Unterrock bekleidet und einer Decke, die sie vom Bett gerafft hatte, rannte sie über die Felder (die zur Zeit leicht verschneit sind) zum Haus von Mr. Phillips und weckte das ganze Haus, um Alarm zu geben. Mein Informant hat mir erzählt, daß Mary Anne sehr aufgeregt war und den Rest der Nacht unter Mr. Phillips’ Dach verbrachte, wo seine Frau sich um sie kümmerte. Heute morgen seien jedoch zwei ihrer Brüder gekommen und hätten Mary Anne, die noch weinte und sehr aufgeregt war, schon vor Tagesanbruch abgeholt. Vom Gebetshaus, sagt man mir, ist nichts mehr übrig, außer ein paar geschwärzten Steinen und noch schwelenden Bohlen. Heute nachmittag werde ich mit meinem treuen Hund hinausgehen, um mir alles anzusehen, vorausgesetzt, es schneit nicht wieder. Leider mußte es geschneit haben, oder etwas anderes hatte Elias abgehalten, denn es folgte keine Augenzeugenbeschreibung. So fasziniert war Meredith von diesem spärlichen Bericht, der mehr Fragen aufwarf als beantwortete, daß sie nicht merkte, daß Ursula zurückgekommen war und sie von der Tür her lächelnd beobachtete.
»Wundervoll, nicht wahr?« sagte Ursula.
»Und ob«, pflichtete Meredith ihr mit großem Nachdruck bei.
»Dürfte ich mir eine Kopie machen?« Sie wollte sich durch diese faszinierende
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