Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
haben, und seine Schwester macht sich Sorgen. Andererseits ist natürlich alles interessant, was mit der Baustelle zu tun hat. Hersey wird zweifellos wieder auftauchen. Ich wüßte jedoch gern, wo er ist und was er macht.«
»Das ist gewiß merkwürdig«, sagte McVeigh und rutschte ein wenig unbehaglich in seinem Sessel herum. Er war ein großer Mann, nicht fett, aber kräftig und maß in Schuhen, Größe siebenundvierzig, über einen Meter neunzig. Er klagte häufig, die Sessel seien nicht groß genug, zumindest seien es die Sessel nicht, die man ihm zur Verfügung stelle.
»Hersey – Ihrer Meinung nach ein unangenehmer Kerl, nicht wahr? Unkooperativ.«
»Sehr, doch das finden auch andere.«
»Mhm. Halten Sie es im Licht dieses scheinbaren Verschwindens für möglich – und bisher haben wir keinen Anlaß anzunehmen, daß es nicht freiwillig erfolgte –, daß er vielleicht Beweise zurückhält?«
»Ich bin fast überzeugt, daß Hersey mehr weiß, als er sagt. Ich habe keinen Beweis dafür, es ist nur ein Gefühl. Wenn es so ist, wird er uns aus reiner Bosheit nichts sagen. Doch wieder kann ich nicht beschwören, daß er etwas Relevantes weiß oder daß er, wenn er es weiß, auch weiß, daß er es weiß. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ich verstehe Sie sehr gut. Würden Sie sagen, daß er nicht sehr intelligent ist?«
»Im Gegenteil, innerhalb der Grenzen seiner Welt ist er durchaus intelligent. Vielleicht sogar eher gerissen als intelligent, aber er hat eine gute Beobachtungsgabe und ein gutes Gedächtnis. Doch er ist stur wie ein Ochse, wie man auf dem Land sagt.«
»Wie steht es mit seiner Ehrlichkeit?«
»Er ist ehrlich genug, auf seine Art, aber seine Art mag weder die Ihre noch die meine sein. Ich halte ihn keines schweren Verbrechens für fähig, und er würde immer in eigenem Interesse handeln. Bei kleineren Diebstählen drückt er vielleicht ein Auge zu, wenn es sich für ihn lohnt. Aber da man ihm auf der Baustelle vermutlich die Schuld geben würde, wenn die Diebereien nicht aufhören, würde er wohl einschreiten. Das meine ich, wenn ich sage, ehrlich in seinem eigenen Interesse.« McVeigh setzte sich wieder anders zurecht und murmelte etwas wenig Schmeichelhaftes über den Mann, der die Büromöbel entworfen hatte.
»Und Sie haben gestern abend noch selbst mit ihm gesprochen?«
»Ja, aber danach habe ich ihn nicht mehr gesehen. Pearce ist jetzt unterwegs, um Herseys Spuren zu folgen.«
»Nun, dann lassen wir das für den Augenblick.« McVeighs massige Hand griff nach einem Ordner, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag.
»Alles wird warten müssen, weil es etwas anderes gibt. Ich habe eine Nachricht, die für Sie so etwas wie ein Durchbruch sein könnte. Aber ich weiß nicht, wie Sie es aufnehmen werden.«
»So?« Mißtrauisch beäugte Markby den Ordner. Ein Sonnenstrahl fiel durchs Fenster und irrlichterte darauf herum. Sie brauchten dringend einen Durchbruch, aber wenn McVeigh so auf schüchtern machte, hieß das, daß etwas Unangenehmes damit zusammenhing. Und das konnte er ganz und gar nicht brauchen.
»Sehen Sie sich das an«, sagte McVeigh und klappte den Ordner endlich auf. Er reichte Markby eine Fotografie über den Schreibtisch. Markby nahm und betrachtete sie.
»He!« rief er.
»Das ist der Tote! Ich meine, das ist er, als er noch am Leben war.«
»Ja, das stimmt. Sieht ein bißchen anders aus, wie?«
»Würde ich auch sagen«, entgegnete Markby leise. Wäre er in diesen Dingen unerfahren gewesen, hätte er den Mann auf dem Foto vermutlich nicht identifiziert. Das Gesicht war voller, er sah gutgelaunt aus, der Mund war zu einem Lächeln verzogen, und er hatte Lachfältchen in den Augenwinkeln. Ein lebendiger Mensch, keine Totenmaske. Hätte er dieses Foto zum Herumzeigen gehabt … Dann meldete sich das Mißtrauen. Er blickte auf.
»Woher haben Sie das?«
»Aus Frankreich. Ihre Vermutung, daß er Ausländer war, hat sich bezahlt gemacht. Er ist – war Franzose.« Markby schossen gleichzeitig zwei Fragen durch den Kopf, und in dem Bemühen, beide auf einmal loszuwerden, verhaspelte er sich.
»Warum habe ich nicht – Sie meinen, er war ein Krimineller? Ich habe nicht – wo haben Sie das erfahren?« schloß er ungehalten.
»Warten Sie, ich erkläre es Ihnen«, sagte McVeigh beschwichtigend und wedelte mit seiner Pranke.
»Nein, er war kein Krimineller. Er war Polizeibeamter.«
»Was?« Es riß Markby fast aus dem Sessel.
»Und als Antwort auf die andere Frage,
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