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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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kreischte und heulte er nun.
    Die einzige Möglichkeit, das Quengeln zu beenden, war, ihm seinen Willen zu lassen, sonst würde es in eine wüste Schimpferei umschlagen. Normalerweise blieb Charlotte standhaft – viele seiner Wünsche waren so lächerlich, daß sie sie gar nicht erfüllen konnte . Diesmal jedoch bekam sie die Chance, einen Blick in den großen alten Kleiderschrank zu werfen. Sie legte den Löffel hin und stellte die Schale auf den Tisch, und bevor er losbrüllen konnte, öffnete sie schnell die großen Schranktüren. Dort hing majestätisch, geschützt von einer grauen, durchsichtigen Plastikhülle, die Uniform. Charlotte zog sie vom Bügel und sah dahinter die großen Stapel Stoffe, die in vergilbte Plastiktüten verpackt waren, so daß sie die Farben nicht erkennen konnte.
    »Vater?« Sie zog den Reißverschluß der Umhüllung auf und nahm die Uniform heraus. »Hast du was dagegen, wenn ich einen von den Stoffen nehme und mir daraus ein Kleid für das Fest nähen lasse?«
    Der General hörte die Frage seiner Tochter gar nicht. Beim Anblick der glänzenden Orden und Abzeichen fuhr sein Körper hoch. Charlotte legte ihm die Uniform auf den Schoß. Der Geruch seines Stuhlgangs stieg auf. Mit dem Zeigefinger fuhr der alte Mann, der von allen der General genannt wurde, aber, wie nun wieder deutlich zu sehen war, es nicht weiter als bis zum Oberstleutnant gebracht hatte, über die aufgestickten Tressen, die Abzeichen und Medaillen zum Distinguished Service Order , der wichtigsten Auszeichnung, die er für seine Heldentaten in Birma bekommen hatte.
    Charlotte wischte mit einem Lappen die Joghurtflecken von der Wand. Was im Kopf ihres Vaters vorging, wußte sie nicht – glaubte er sich wieder im Krieg, in der Kaserne, oder war er in seiner Vorstellung schon beim Fest im Club? Er starrte so gebannt auf die verschlissene Uniform, daß er gar nicht merkte, wie Charlotte die in Plastiktüten verpackten Stoffe nacheinander aus dem Schrank nahm und ins Treppenhaus trug. Das Regal, das übervoll gewesen war, sah nun fast leer aus. Schnell machte sie die Schranktüren zu, vergaß die Schale und den Löffel mitzunehmen, schloß die Tür ab und seufzte.

1944
Birma
     
     
     
    Mit einem Löffel, der vom jahrelangen Auskratzen der Eßnäpfe abgenutzt und dessen Stiel verbogen ist, schaufelt er die klebrige Pampe in sich hinein, die sie aus einer bitteren Frucht fabriziert haben. Zum ersten Mal seit Tagen haben sie etwas zu essen. Der Geruch ist abstoßend, und beim ersten Bissen dreht sich ihm der Magen um, aber er kaut weiter und verbietet sich jeden Gedanken daran, was der Brei ursprünglich war. Es geht nur noch darum, überhaupt etwas zu essen.
    Victor und die beiden anderen Männer haben sich verirrt. Einen Tag, nachdem er seinen Unterkommandanten den Befehl gegeben hatte, ihre Einheiten über die Front zu verteilen, hat er jeden Kontakt mit ihnen verloren. Sein Fernmeldeoffizier ist auf eine Landmine getreten, das einzige Funkgerät wurde mit ihm in die Luft gesprengt. Der Offiziersbursche, der seine Karten trug, bekam einen akuten Schub von Schwarzwasserfieber und starb noch in derselben Nacht. Die Karten wurden in dieser Nacht durch den anhaltenden Regen zu Brei, so daß sie nicht einmal mehr zum Feueranmachen taugten. Wie die anderen Männer zu Tode gekommen sind, hat er verdrängt, es ist sinnlos, darüber nachzudenken, sie müssen weiter.
    Victors Gehirn beginnt wieder zu arbeiten, nachdem er nun etwas im Magen hat, auch wenn er sich anstrengen muß, um es bei sich zu behalten. Wie die beiden anderen verspürt er den Drang, es gleich wieder auszukotzen. Der Hunger ist jedoch so groß, daß der Soldat ihm gegenüber sein Erbrochenes wieder zu sich nimmt.
    Der Blick des Majors schweift über das, was von seinen Leuten übriggeblieben ist. Zwei junge Soldaten! Zu desertieren kommt keinem in den Sinn – sie wissen nicht, wohin sie fliehen könnten. Bei jedem Schritt im unwegsamen Dschungel ist es ein Wunder, wenn sie nicht in eine Falle des Gegners laufen. Ist er vor, hinter, links oder rechts von ihnen? Keiner weiß es.
    Jetzt, wo er wieder einigermaßen klar denken kann, kommt auch die Angst zurück. Eine Feigheit, die er sein Leben lang aus tiefster Seele verachtet hat, verfolgt ihn, seit sie die Orientierung verloren haben. Hier, in der grünen Hölle, wo er sich nicht fürchtet vor den Blutegeln, Schlangen und schwarzen Skorpionen, das ist nur ein notwendiges Übel, so wie die Tiger. Er hat Todesangst

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