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Warum aendert sich alles

Titel: Warum aendert sich alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Brandt
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verlorenen Bildung.
Gesprächskultur
    Auf dem Heimweg. »Sie haben sich an dem Gespräch über ein Buch beteiligt, das Sie nicht gelesen haben. Jeder mußte glauben, daß Sie ein genauer Kenner des Werks sind – wie konnten Sie das tun?«
    Â»So ist es, wir können uns mit einiger Intelligenz einmischen, ohne etwas von der Sache zu verstehen. Sie werden nicht leugnen, daß meine Beiträge der Unterhaltung eine geistreiche Richtung gaben und daß alle durch meine Beobachtungen animiert waren. Kann man mehr wollen? Alle Kultur ist Täuschung; die Indios, die sich bemalen, wollen irgendwen oder irgendwas täuschen, sie tun so, als ob sie größer und mächtiger und attraktiver sind als in Wirklichkeit – das ist die Quintessenz unserer Kultur; jeder Satz, den wir sagen, ist entweder todlangweilig, die Rose ist die Rose ist die Rose, oder aber er lebt über seine Verhältnisse. Sie benutzen das Wort ›Buch‹, aber Sie wissen nicht, ob ein dickes Heft ein Buch ist und mit wie vielen Seiten das Buch genau beginnt; ist das verkohlte und unleserliche Buch noch ein Buch? Ist die Diskette des Buches ein Buch? Die Kinderfibel? Ist der Embryo schon ein Mensch und der Tote auf der Straße noch ein Mensch? Jeder redet von Büchern und Menschen und weiß nicht, wo sie anfangen und wo sie aufhören. Ist das ehrlich? Oder blicken Sie auf die Metaphern, die kleinen verlogenen Trunkenbolde in unserer Rede, die alles aus dem Tritt bringen und doch die Menschen erst aufhorchen lassen. Und wie springt die Kunst mit der Wirklichkeit um, und dann die Religion, und allen voran die Wissenschaft! In der Kultur kommt nur der Grenzgänger zur Geltung, er muß mehr bieten, als er hat und als er kann – das Glück entscheidet über Absturz und Erfolg.«
    Â»Auf Wiedersehen, ich biege hier ab. Viel Erfolg weiter. Was ich noch sagen wollte: Niemand hatte das Buch gelesen. Wir haben Autor und Titel vorher erfunden, um zu sehen, wie Sie reagieren würden.« »Ja und?«
»No risk, no fun«
    Â»Don’t die for a deadline.« »Behind the line is fine.« »No belt no brain.« »A microsleep can kill you in a second.« »No flag, no swim.« Napoli – Ischia: »Orari non definitivi e soggetti a variazioni.«
Um ein Haar
    Als Thomas More 1535 geköpft werden sollte, ermahnte er den Henker auf dem Schafott, ihm doch ja nicht den Bart abzuschlagen, denn im Todesurteil stehe nur etwas von seinem Kopf. Um ein Haar hätte er die Contenance verloren und sich dem Wehleid um sein Leben und der Sklaverei des Schmerzes ergeben; aber dieser Einfall mit dem Bart brachte sein schlimmes Ende mit einem Lächeln zum Verschwinden. Sokrates war etwas ausführlicher und sprach stundenlang über den Tod und die Unsterblichkeit der Seele, aber beide waren große gebildete Aristokraten, die sich das gewaltsame Lebensende durch Witz und Reflexion vom Leibe hielten, bis sie ihn, den Tod selbst, nicht mehr erleben konnten.
Dépendance mutuelle
    Der Niedergang der Menschheit, so lehrt Rousseau, begann mit der Delegation des Selbstgefühls an die Meinung der anderen. Als die Menschen anfingen, sich selbst im Blick und Urteil der anderen zu sehen und zu werten, verloren sie das innere Gleichgewicht und jedes Maß des Selbstwerts; sie entfalteten groteske Vorhaben, um sich in immer größeren Meinungsbereichen der anderen zu betätigen. Ein Glück, denn so begann die unterschiedliche Karriere von Schafen und Ziegen und dem Aufsteiger Mensch; ein Unglück, denn allmählich ruinieren wir alles, selbst das Land an Euphrat und Tigris.
Schicksal
    Kant sagt kurz und bündig: »Es gibt indessen auch usurpierte Begriffe, wie etwa Glück , Schicksal , die zwar mit fast allgemeiner Nachsicht herumlaufen, aber doch bisweilen durch die Frage quid juris in Anspruch genommen werden, da man alsdann wegen der Deduktion derselben in nicht geringe Verlegenheit gerät.« Friedrich II: »Glück und Schicksal sind Wörter ohne Sinn; sie verdanken allem Anschein nach ihren Ursprung der tiefen Ignoranz zu Beginn der Welt, als man den Wirkungen, deren Ursprung man nicht kannte, vage Namen verlieh.« Napoleon: Das Schicksal und die Schicksalsstücke hätten einer dunklen Zeit angehört. »Was, sagte er, will man jetzt mit dem Schicksal? Die Politik ist das Schicksal.« Aber warum nicht wieder das Schicksal beschwören? Das griechische

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