Warum französische Frauen nicht dick werden (German Edition)
auch
als
Essen) ist einer unserer großen Genüsse. Eine Scheibe (2 bis 3 cm dick, mit dem Durchmesser eines Baguette) hat nicht mehr Kalorien als ein Stück Obst, und da es stärkehaltig ist, gibt es den Zucker langsamer frei. Mit einem kleinen Belag (ein paar Sardinen, ein wenig Trüffelpastete – was Sie dahaben) und etwas Butter kann es für sich eine wunderbar befriedigende, ausgewogene kleine Mahlzeit sein.
Tartine beurrée
ist ein ausgezeichnetes Frühstück,
jambon beurre
, das klassische französische Schinken-Sandwich, ein beliebtes Mittagessen. Meine Mutter brach sich regelmäßig gegen elf Uhr morgens ein Stück Baguette ab und aß es als
coupe faim
.
Bei alldem geht es nicht allein um die Menge Brot, die Sie essen, sondern vor allem auch um die Qualität. Die meisten europäischen Länder haben die althergebrachte Kunst, gutes Brot zu backen, in letzter Zeit vernachlässigt. Selbst in Italien, dessen Küche durchaus mit der französischen konkurrieren kann und wo Essen ähnlich ernst genommen wird, ist Brot nicht mehr das, was es einmal war. Wenn italienische Freunde zu mir nach Paris kommen, suchen sie immer nach der besten Baguette und dem besten
pain aulevain
oder nach
croissants
(zu Letzteren gibt es in der Gegend, aus der ich stamme, jährlich eigene Wettbewerbe); die guten französischen Bäcker jedenfalls bleiben auf der Hut.
Das müssen sie, denn die Franzosen tolerieren einfach kein schlechtes Brot. Ich war dabei, wie sich Pariser Freunde in einem kleinen Bistro um die Ecke, wo es im Übrigen köstliche Dinge gibt, beim Besitzer über das Brot beschwerten. Zugegeben, es war nicht das beste Brot, das ich je gegessen hatte, aber auch kaum das ungenießbare Massenbrot, das man in einem vergleichbaren New Yorker Restaurant mitunter bekommt. Wie auch immer: Bei meinem nächsten Besuch des Bistros merkte ich gleich, dass man den Bäcker gewechselt hatte. Können Sie sich das in einem anderen Land vorstellen?
Als Franzosen haben wir ein paar gemeinsame Standards und Erwartungen. Die
baguette
hat
croustillante
zu sein (knusprig und frisch), mit großen, unregelmäßigen Löchern, während wir beim
pain au levain
darauf achten, dass es
moelleux
ist (weich und füllig), die Krume dabei säuerlich. Und es gibt ein paar feste Zuordnungen: Zu Austern beispielsweise mögen wir
pain de seigle
(ein leichtes braunes Brot aus zwei Dritteln Roggen und einem Drittel Weizenmehl); zum Käse bevorzugen wir Walnussoder Haselnussbrot, nicht einfach jedes Nussbrot; und Olivenbrot ist nicht nur in der Provence zu einem festen Bestandteil unseres Speiseplans geworden, sondern wird ganz allgemein zu mediterranen Speisen gegessen, besonders zu Fisch. Brot bleibt nicht auf seine Alltäglichkeit beschränkt, sondern wie auch bei anderen Dingen gefällt es uns, seine sinnlichen Möglichkeiten zu erforschen.
Ich würde Sie jedoch in die Irre führen, wenn ich den Eindruck erweckte, als wäre Frankreich immer ein Brotparadies gewesen. Von den sechziger Jahren bis in dieachtziger Jahre hatten wir eine Art nationale Brotkrise durchzustehen – die wir heute ironischerweise die industrielle
Ersatz
-Zeit nennen, in der die altehrwürdigen Methoden und Hilfsmittel durch industrielle Ausrüstung und Techniken ersetzt wurden. Ich nehme an, dahinter stand die gaullistische Idee des Fortschritts. Glücklicherweise haben wir es hinter uns gelassen, aber Überbleibsel dieser Phase finden sich auch heute noch, in Plastik verpackt, in den Regalen der
hypermarchés
. Dank eines Amerikaners mit dem Namen Steven Kaplan, einem Professor der Cornell University, der Frankreich und sein Brot liebt, und unseres damaligen, gerade frisch gewählten Premierministers Edouard Balladur gab es 1993 ein Reformgesetz zum Thema Brot. Das heute berühmte Balladur-Gesetz hat die traditionellen Standards für französisches Brot erheblich verbessert, oder richtiger gesagt: wiederhergestellt. Es legt die Mehlqualität fest, den Hefegehalt, dazu die Techniken der Fermentation und den Geschmack, und stellt so sicher, dass kein Liebhaber französischen Brots je wieder enttäuscht wird. Es gibt bei uns heute im Backhandwerk eine neue Generation Bäcker, die sich der Tradition annimmt – und bei der sie sicher aufgehoben ist. Diese Bäcker sind stolz darauf, es nicht nur richtig zu machen, sondern immer besser; der Ruf unserer Nation steht für sie auf dem Spiel.
Was tun, wenn es in Ihrer Nähe keinen guten Bäcker gibt? Als ich nach New York zog, ging es mir
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