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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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und jeder Christ die Berichte der Gottesoffenbarung so oder ähnlich auf? Er denkt zunächst nicht, er solle sie überprüfen. Oft wird es ihm verboten. Konservative Religionsdenker tadeln seine Neigung zur ‹Hermeneutik des Verdachts›. Der Gläubige ahnt auch, daß er das in der Regel nicht kann. Der Wunsch nach Überprüfung riecht ihm nach Mißtrauen gegen die Wahrhaftigkeit des offenbarenden Gottes. Kontrolle braucht ihn nicht zu kümmern: Er ist konzentriert auf den Inhalt des Korans oder der Bibel und hört in ihnen die Stimme Gottes; er macht seine Zustimmung nicht davon abhängig, daß die Erzählung sich objektiv-historisch bestätigt. Sein Mißtrauen, wenn er es denn hat, richtet sich nicht gegen Gott, sondern gegen eine Textüberlieferung. In der Regel weiß er gar nicht, wie ihre erfolgreiche Bestätigung oder Bestreitung aussehen könnte. Augustin verlangte von ihm, daß er zunächst einmal ohne Wenn und Aber das Erzählte glaube, danach werde er mit Platon die wesentlichen Inhalte einsehen. Die nachfolgende Vernunftarbeit bestand in platonisierender Spekulation, nicht in historisch-gelehrter Absicherung der Faktenbasis, wie man heute sagen würde. Äußert der einfache Gläubige Zweifel, ob ‹wirklich› geschehen sei, woran er glaubt oder glauben soll, dann eilen Theologen herbei, die ihm seine Zweifel zu beseitigen versprechen. Sie verstehen sich als Wissenschaftler, nicht als einfache Gläubige, obwohl sie oft ‹der Glaube› sagen, wo sie ihre ‹Theologie› meinen. Aber wenn sie ihre Konzeption von Wahrheit nicht ändern, können sie ihr Versprechen nicht halten.

    Wenn jedem freisteht, seine Wahrheit in den Dokumenten der Offenbarungsreligionen auszusuchen, dann gerät kein Gläubiger in Konflikt mit der Wissenschaft. Er behauptet ja nicht, er habe, was er glaubt, kritisch überprüft. Nur wenn er beansprucht, die Sache kritisch überprüft zu haben, gerät er in Widersprüche; er widerspricht anderen Interpretationen. Er widerspricht vielleicht auch den offiziellen Interpretationen seiner Kirche. Wenn er keinen Überprüfungsanspruch erhebt, gerät er nicht in Konflikt. Er brauchte nie ein Buch zu schreiben, warum er kein Christ ist. Er könnte auswählen oder auch auf Auswahl verzichten. So machen es die Betrachter von Gemälden. Manchmal geraten sie zwar in Streit mit Verehrern anderer Künstler. Aber das ist, wenn sie nicht streitsüchtige Kunsthistoriker sein wollen, für sie ein Nebenthema. Ihre Befriedigung finden sie beim Betrachten von Bildern und beim Nachdenken darüber, nicht beim Herunterreden konkurrierender Künstler.
    Könnte man den Offenbarungsreligiösen diese ‹kleine› Änderung ihres Wahrheitskonzepts empfehlen? Sie würden Religionskriege vermeiden; sanftfromme Glaubenslämmer würden neben Religionslöwen lagern. Aber es läßt sich voraussagen, daß es dazu nicht kommen wird. Die monotheistischen Religionen brauchen das zugleich universalistische und faktisch-objektivistische Wahrheitskonzept: Da ihr Gott der einzige Gott sein soll, muß er es für alle sein. Und was sie als sein Wort verkünden, soll für alle gelten. Weil wahr ist, was sie sagen, soll, muß es für alle wahr sein. Sie haben ein objektivistisches, ein realistisches Schema vor Augen: Sie haben, sagen sie auf Nachfrage, ihre Meldungen überprüft. Sie behaupten, sie verfügten über eine lückenlose Liste von Zeugen. Sie beanspruchen die Autorität, ihre Meldungen als wahr zu bestätigen oder zu bestimmen, sie seien prinzipiell nicht überprüfbar und dienten der Erprobung des Glaubensgehorsams. Beides ist, zumindest in einigen Fällen, nachweisbar falsch: Die Sonne dreht sich nicht um die Erde. Und wann in Palästina eine römische Volkszählung stattfand, das ist historisch überprüfbar. Aber die Offenbarungsreligionen sagen, ihre Meldungen seien keine bloß menschlichen Erzählungen, sondern Gottes wahres Wort. Könnte es nicht doch sein, daß die Juden nie in großer Anzahl im babylonischen Exil waren? Vielleicht waren es nur zehn Prozent von ihnen? Vielleicht zogen sie, als sie in Kanaan eindrangen, nicht aus Ägypten aus, sondern betraten nur eine andere ägyptische Provinz? Gläubige bereiten sich Niederlagen, wenn sie behaupten, sie hätten das alles überprüft. Und sie stehen hilflos da, wenn sie zugeben, das alles sei nicht überprüfbar.
    Kaum etwas ist weniger überprüfbar als die Behauptung, eine Jungfrau habe ein Kind geboren. Als Joseph Ratzinger in seiner Einführung in das

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