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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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leichter zu bestreiten. Wunderberichte ließen sich eher anzweifeln. Dennoch blieben auch Beweise aus Wundern ein wesentliches Bestandstück der christlichen Mission. Vor allem spektakuläre Fälle wie Totenerweckungen waren argumentativ ergiebig. Nur wimmelte es in der antiken Welt an Wundertätern, Magiern und Zauberern. Histörchen über Wunder waren beliebter Unterhaltungsstoff. Zwar hatten stoische Philosophen schon den Begriff des Naturgesetzes entwickelt, aber er enthielt nicht die strikte Ausnahmslosigkeit neuzeitlicher Konzepte: Ein Wunder war alles, was in der alltäglichen Naturerfahrung nicht vorkam. Einige Philosophen schrieben sogar Götterbildern Wunderwirkungen zu. Pythagoras und Empedokles galten selbst als Wundertäter; berühmt war dafür Apollonios von Tyana. Frühe christliche Schriftsteller übertrugen die Züge des hellenistischen Wundertäters auf Jesus und die Apostel. Lukian verspottete den Wunderglauben; er war in der antiken Welt, die so nüchtern und rational nicht war, weit verbreitet. Priester an den Kultstätten sammelten Berichte über wunderbare Heilungen. Viel mehr war zur Theorie des Wunders in der alten Welt nicht zu sagen. Die spätere Unterscheidung von ‹natürlichen› und ‹übernatürlichen› Vorgängen gab es in der Antike nicht. Orakel und Träume öffneten die Welt zur Zukunft. Traum und Traumdeutung waren in der Antike kulturell und politisch von größter Bedeutung; auch der Gott der Bibel sandte seine Botschaften häufig im Traum.
    Von Weissagungen und Wundern war bisher schon zweimal die Rede, zuerst vom Verhalten der historisch-kritischen Forschung zu ihnen. Sodann von der apologetischen Behauptung, Gott habe sie eingesetzt, um Nichtchristen zweifelsfrei von der Glaubwürdigkeit des Christentums zu überzeugen. Ich komme hier auf sie zurück, um die merkwürdige Beweisart aus Weissagungen und Wundern an ihren zwei wichtigsten Beispielen etwas näher zu besehen, an der Weissagung der Jungfrauengeburt bei Jesaia, sodann am Wunder aller Wunder, an der Auferstehung Jesu.
    Das Weissagen oder Prophezeien war in der Antike ein allgemeines Phänomen, keineswegs auf Israel beschränkt. Unser Wort ‹Prophet› kommt aus dem Griechischen; ein ‹Prophet›, pro-phêtês , von pro-phanai , vorher-sagen, hieß in Delphi der Mann, der die oft zweideutigen Aussagen des Orakels übersetzte und deutete. Dann war es generell der Seher, der den Willen der Götter verkündet und Kommendes voraussagt. Aber ich rede hier nicht von Prophetie im allgemeinen, sondern von der apologetischen Behauptung, im Leben Jesu seien alttestamentliche Voraussagen eingetroffen, und dieses Eintreffen des Vorausgesagten beweise die Wahrheit des christlichen Glaubens, die Erfüllungen bestätigten die Wahrheit der Bibel. Das Neue Testament selbst trägt diese Beweisart vor; sie ist keine späte Kreation von Theologen; Paulus übt sie aus, besonders in 1 Korinther  15,3. Die Evangelisten, besonders Matthäus, gebrauchen sie oft. Daher konnten Christen die Beweiskraft von Erfüllungen kaum bestreiten. Wer sie angriff, bezichtigte Apostel und Evangelisten der falschen Auslegung der Hebräischen Bibel. Der Theologe, der den Irrtum der Erfüllungsbehauptung nachwies, riskierte Zensur und Bestrafung.
    Die wichtigste Weissagung steht in der Weihnachtsgeschichte: Im ersten Kapitel des Evangeliums nach Matthäus tritt der Engel des Herrn auf und erklärt Joseph, wieso seine Maria ein Kind erwartet, das nicht von ihm ist:
Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.
Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat:
‹Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns.›
Als Joseph erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte.
Matth. 1,21–24 .
    Also nicht nur der Verfasser des Evangeliums, sondern der Engel des Herrn selbst sah die Jungfrauengeburt als vom Propheten Jesaia  7,14 vorausgesagt. Der Evangelist fand sich dabei in sicherer Gesellschaft; Jesus selbst hatte gesagt, die Propheten hätten von ihm gesprochen, Matthäus  11,4–6. Im Weihnachtsevangelium dient das Argument aus der Erfüllung der Vorhersage als Bestätigung der Worte des Engels; seine Botschaft ist von Gott selbst besiegelt; er kann Joseph beruhigen.
    Die Bibelstelle, die der Engel des Herrn zitiert,

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