Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
Nirgendwo sonst passieren in diesem Genre so viele Fehler. Unsere kurze Liste vermittelt einen guten Eindruck. Sie könnte freilich beliebig ergänzt werden, etwa um das jüngste Ergebnis eines bekannten Meinungsforschungsinstituts, nach dem 105 % der Bevölkerung Schwierigkeiten mit Prozenten haben. Mein – vielleicht nicht ganz unkecker – Vorschlag für einen Ausweg aus den Tücken der Rechnung mit Prozentualien: vorsichtshalber das errechnete Ergebnis mit ca. angeben oder so irgendwie annähernd ungefähr. Alle Eventualitäten sind damit abgedeckt. Auch diejenige, dass es überraschenderweise einmal exakt stimmen sollte mit der Rechnung, wie hier bei einer Werbung für den Duden.
Abbildung 62: Duden-Werbung: 5 Euro von 20 Euro gespart sind «ca. 25 % gespart!»
Nach diesem Vorspiel kommen wir nun zum eigentlichen Thema. Unsere Fallstudie befasst sich mit der Antwort auf die folgende Frage:
Angenommen, ein erwachsener Deutscher unterzieht sich beim Arzt einem ELISA-Test auf HIV. Der Test ist positiv. Wie wahrscheinlich ist es, dass beim Getesteten tatsächlich eine HIV-Infektion vorliegt?
Die Fragestellung mutet bei erstem Hinsehen trivial an. Kann die richtige Antwort denn etwas anderes sein als 99,5 %, etwas anderes als eben die zahlenmäßige Erfassung der Genauigkeit des Tests?
Wir werden erkennen, dass diese Einschätzung fehlerhaft ist und nicht nur ein bisschen an der Richtigkeit vorbeischrammt, sondern weit danebenliegt. Zu diesem Zweck gehen wir von der Darstellung mit Wahrscheinlichkeiten zu relativen Häufigkeiten über. Es ist dies eine inhaltlich gleichbedeutende Darstellung, mit der sich aber die Kernaspekte der Thematik klarer herausarbeiten lassen.
Nehmen wir also eine repräsentative Personengruppe von 100.000 deutschen Erwachsenen in den Blick. Mit repräsentativ soll hier gemeint sein, dass sich in dieser Gruppe entsprechend der Prävalenz der Krankheit 200 HIV-Infizierte befinden. Wenn man hypothetisch bei allen 100.000 Personen einen ELISA-Test durchführt, so werden im Mittel 99,5 % der HIV-Infizierten, also 199 von den insgesamt 200, vom Test auch als solche erkannt und 1 HIV-Infizierter fälschlich als HIV-negativ deklariert. Außerdem werden von den übrigen 99.800 HIV-freien Personen 99,5 % richtig als gesund diagnostiziert, das sind 99.301, und verbleibende 499 fälschlicherweise als krank eingestuft. Es hilft der Intuition, wenn man diese Zahlen übersichtlich in einer Tabelle auflistet.
In den grauen Kästchen dieser Tabelle stehen die Fallzahlen, die sich auf korrekte Testergebnisse beziehen, während die anderen Einträge Fehlentscheidungen des Tests repräsentieren.
Zählt man zusammen, so werden 199 + 99.301, also 99.500 Personen im Mittel, wie wir es erwartet haben, vom Test korrekt diagnostiziert. Außerdem werden 199 + 499 = 698 Menschen als HIV-positiv diagnostiziert. Von diesen 698 Menschen sind aber nur 199 tatsächlich erkrankt und damit wirklich HIV-positiv, während 499, also beachtliche 71,5 %, durch ein fälschlich positives Ergebnis verängstigt werden. Ja, so viele! Dies ist die überwiegende Mehrheit der positiv Getesteten.
Noch ein paar Prozente mehr
Spiegel-Online: Meldung vom 2.6.2005
«Jeder siebte Befragte (72 Prozent) befürwortet einen Regierungswechsel. Für eine Weiterführung der rot-grünen Koalition plädieren den Angaben zufolge hingegen nur 22 Prozent.»
Komplettkonfusion. Später gab es einen zweiten Aufschlag mit Verbesserungsversuch:
«Jeder siebte Befragte befürwortet einen Regierungswechsel. Für eine Weiterführung der rot-grünen Koalition plädierten den Angaben zufolge hingegen nur 22 Prozent.»
Doppelfehler. Noch später konnte man dies lesen:
«72 Prozent der Befragten sprachen sich für einen Regierungswechsel aus, zwölf Prozent mehr als noch im März dieses Jahres. Für eine Weiterführung der rot-grünen Koalition plädierten den Angaben zufolge hingegen nur 22 Prozent.»
Kurz darauf lieferten die Meinungsforschungsinstitute neue Zahlen und diese so mühsam korrekt dargestellten waren obsolet.
Bei einem medizinischen Test sagt der positive Vorhersagewert etwas darüber aus, wie wahrscheinlich es ist, krank zu sein, wenn der Test positiv ist. Er ist so etwas wie das Qualitätssiegel eines Tests. Dieser Wert ist das Verhältnis zwischen der erwarteten Anzahl der richtigerweise positiven Testergebnisse und der erwarteten Gesamtzahl positiver Testergebnisse, ob korrekt oder nicht korrekt. Für den ELISA-Test ist der
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