Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
belasteten Risikogruppe zählten, eine vorbeugende Brustamputation vorzunehmen. Diese verringere die Sterblichkeit um 80 %, wurde als Begründung angegeben. Was aber bedeutet das in absoluten Zahlen?
Eine Studie hatte ergeben, dass von 100 Frauen in dieser risikobelasteten Grundgesamtheit ohne Brustamputation 5 Frauen an Brustkrebs starben. Nach der vorbeugenden Brustamputation war nur eine von 100 an Brustkrebs gestorben. Das sind die wirklichen Zahlen. In Prozentangabe also eine Reduktion von 80 %, eben von 5 auf 1.
Aber mit den tatsächlichen Zahlen informiert, wären sicher nur wenige Frauen diesen radikalen und in der Regel traumatisierenden Schritt der Brustamputation gegangen. Denn in absoluten Zahlen angegeben, werden durch die Amputation tatsächlich nur 4 von 100 Frauen gerettet. Eine stirbt außerdem trotz der Amputation, aber 95 von 100 erleiden die Operation mit allen Konsequenzen, obwohl sie niemals an Brustkrebs erkrankt wären.
Viele Ärzte sind mit der Interpretation von bedingten Wahrscheinlichkeiten und mit Angaben über relative Risikoreduktion offenbar überfordert. Aber die Pharmaindustrie tut ein Übriges, um dieses Faktum auszunutzen. Ihr Elan ist jedenfalls nicht durchgehend darauf gerichtet, ihre Studienergebnisse leicht verständlich aufzubereiten. Ihre Produkte werden häufig mit Informationen zu relativer Risikoreduktion beworben statt mit Informationen in absoluten Zahlen, die das menschliche Gehirn im Laufe seiner Evolution leichter fehlerfrei zu verarbeiten gelernt hat.
Reduziert etwa ein Medikament die Sterblichkeit von ursprünglich 4 von 1000 Personen auf 2 von 1000 Personen, so hat sich das Sterberisiko durch Einnahme dieses Medikaments um 50 % reduziert. Das hört sich imposant an, ist aber ein Fall von Täuschen mit der Wahrheit: Desinformation. Tatsächlich ist es so, dass bei Einnahme des Medikamentes nur 2 von 1000 Menschen mehr am Leben bleiben als ohne das Medikament. Der Nutzen liegt also nur in der absoluten Verringerung des Risikos um 0,2 %. Diesem Nutzen steht die nicht unerhebliche Tatsache gegenüber, dass dafür 1000 Menschen das Medikament erwerben, einnehmen und dessen Nebenwirkungen ertragen müssen. Das ist ein eindeutig nicht günstiger Gesamtsaldo.
So weit dieser Bericht aus einem der modernen Slums der Datendeutung. Ich bin so ehrlich, wie ich immer sein möchte, wenn ich sage, dass dem medizinischen Sektor eine Stärkung der quantitativanalytischen Komponente ganz guttun würde.
101. So genau wie ein Test auf HIV
Derzeit ist der ELISA-Test das gängigste Nachweisverfahren für HIV-Infektion. Dies liegt an seiner relativen Güte bei vertretbarem Aufwand. Zu den Gütekriterien von Tests gehören ihre Spezifizität und ihre Sensitivität. Dabei bezeichnet die Sensitivität eines Tests die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Diagnose eines tatsächlich kranken Menschen als krank. Umgekehrt bezeichnet die Spezifizität die Wahrscheinlichkeit, dass der Test einen in Wirklichkeit gesunden Menschen auch als gesund deklariert. Natürlich können diese beiden Wahrscheinlichkeiten verschieden sein.
Bei medizinischen Tests besteht so gut wie immer eine gewisse Restunsicherheit. Weder Spezifizität noch Sensitivität erreichen die Idealmarke von 100 %. Beim ELISA-Test hat die Sensitivität den Wert 99,5 % und die Spezifizität liegt ebenfalls bei 99,5 %. Dies bedeutet, dass im Mittel in 995 von 1000 Fällen eine HIV-Antikörper enthaltende Blutprobe richtig als HIV-positiv erkannt wird. Ebenso wird im Mittel in 995 von 1000 Fällen eine Blutprobe ohne HIV-Antikörper als HIV-negativ klassifiziert.
Aus Krankenstatistiken ist bekannt, dass in der Bundesrepublik die HIV-Prävalenz unter Erwachsenen in der Altersklasse 15–50 Jahre bei 0,2 % liegt. Damit wird ausgedrückt, dass im Mittel bei 2 von 1000 dieser Erwachsenen eine HIV-Infektion vorliegt.
Trilogie von Hoch- und Höherprozentigem
– Fuhr vor einigen Jahren noch jeder zehnte Autofahrer zu schnell, so ist es heute nur noch jeder fünfte. Doch auch fünf Prozent sind zu viele, und so wird weiterhin kontrolliert, und die Schnellfahrer haben zu zahlen.
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– Erforderlich ist eine Luftfeuchtigkeit von nie mehr als 50 % und nie weniger als 55 %.
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Die Prozentrechnung ist die Königsdisziplin des deskriptiven Journalismus.
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