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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brockmann
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Comicfigur als Pseudonym für den Täter eines Verbrechens und bagatellisiert dadurch seine Tat: »Ich bin ein eigentlich harmloser Straftäter namens Dagobert, der nur sein Geld will!« Das spricht für einen Mangel an Empathie und Mitgefühl für die Betroffenen.
    Warum begeht dieser Täter ein derart planungs- und zeitintensives Verbrechen? Warum wählt er eine Vorgehensweise, die verhältnismäßig viel Geld verschlingt durch viele Reisen und teures Material? Es geht ihm augenscheinlich nicht um das schnelle Geld, weil der Gerichtsvollzieher bereits vor der Tür steht. Dann würde er eher einen Raubüberfall oder einen Betrug begehen. Dieser Täter versucht anscheinend seinen Lebensunterhalt längerfristig auf einem höheren Niveau zu sichern. Will er vom Donald zum Dagobert werden? Der Summe nach will er nicht in Saus und Braus leben. Allerdings hätte er als KaDeWe-Erpresser innerhalb von vier Jahren 500 000 Mark verprasst.
    Ein weiteres Indiz dafür, dass der Täter auch nach dieser Erpressung keine Ruhe geben würde.
    Geld muss für ihn eine besondere Bedeutung haben. Ist es für ihn die einzige Möglichkeit, alltägliche Konflikte zu lösen? Geld als Allheilmittel: Wenn ich reich bin, ist alles gut? Woher käme sonst das große Beharrungsvermögen, woher der Satz: »… und ich werde die Sache durchführen bis zum Ende«? Das spricht gegen eine reife, ausgeglichene Persönlichkeit. Dieser Täter braucht wahrscheinlich den Erfolg für sein psychisches Gleichgewicht. Als Kompensation für seine Minderwertigkeitsgefühle, die Unterlegenheit und das Versagen? Daher auch das extrem ausgeprägte Kontrollbedürfnis, das Bedürfnis nach Macht über den Konzern und die Polizei durch seine Drohungen und Anschläge? Und das Bedürfnis nach Macht über das, was die Medien über ihn, Karstadt und die Polizei schreiben? Vermutlich hat er sich deshalb auch direkt an die Presse gewendet.
    Zeigt sich nicht auch in den unglaubwürdigen Drohungen bei der letzten Übergabe – wie dem Abschuss eines Helikopters – sein enormes Kontrollbedürfnis? Dieser Täter versucht anscheinend alles, um einer Festnahme von vornherein entgegenzuwirken. Warum spricht er von Bewaffnung, Tötung und droht mit Selbsttötung? Der Täter will wahrscheinlich nicht nur eine Festnahme vermeiden, er will auch die Polizei auf Distanz halten. Hat er etwa Angst vor einem überraschenden, körperlichen Angriff? Hat er in der Vergangenheit schon einschneidende negative Erfahrungen gemacht mit körperlicher Gewalt?
    Was sagt uns das alles?
    Meine Hypothese ist: Der Täter verharmlost sein Verbrechen, schiebt Verantwortung ab, er externalisiert also. Er glaubt auch, ein Recht auf das Geld zu haben. Seine seelische Stabilität hängt vom Erfolg seiner Tat ab: Dieser Täter wird nicht von sich aus aufgeben. Die Erpressung kann nur enden mit der Auszahlung oder mit einer Festnahme.
    Wir müssen darauf auch bei unserem Vorgehen Rücksicht nehmen. Dieser Mann muss immer das Gefühl haben, dass er ernst genommen wird. Mit seinem anscheinend sehr ausgeprägten Minderwertigkeitsgefühl ist er wahrscheinlich leicht kränkbar und zu verunsichern. Kritik und Zurückweisungen – ob nur von ihm unterstellt oder real – führen bei ihm nicht zum beleidigten Rückzug. Er tendiert vermutlich vielmehr zur Bestrafung mit Gewalt, um seine Überlegenheit zu demonstrieren.
    Hat er sogar Freude an Gewalt? Das ist unwahrscheinlich. Zwar droht er mit einer Katastrophe, bombt auch während der Geschäftszeit, nur wegen eines Zeitungsartikels – doch er tut es nicht aus Lust, sondern aufgrund seiner leichten Kränkbarkeit. Betrachtet man genauer die Tatorte, Tatzeiten und Sprengwirkungen, dann will er, so vermute ich, den Eindruck des rücksichtslosen Brandlegers schon beim ersten Anschlag vermeiden: Er bombt im Kellergeschoss in der Porzellanabteilung – der Sprengsatz hat zwar eine hohe Wirkung, aber es können keine Passanten verletzt werden. Auch die zweite und dritte Bombe zünden in Abteilungen für Gebrauchsgegenstände. Seine Aggression richtet sich also nicht so direkt gegen Menschen wie es der Fall wäre bei Bekleidungsabteilungen – oder gar der Kinderabteilung. Er will nicht töten.
    Aber er ist allem Anschein nach bereit, Gewalt auszuüben, sobald Zweifel an der Zahlungsbereitschaft aufkommen und er sich nicht ernst genommen fühlt. Das Risiko von Toten oder Verletzten ist dann nicht auszuschließen, auch wenn der Täter es wohl für sich selbst verdrängt. Er

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