Warum so scheu, MyLady
ich sie in mein Bett zu zerren, trotz ihrer heftigen Gegenwehr.”
Sarah konnte sich die Verwirrung und Enttäuschung eines jungen Ehemanns vorstellen, dessen Frau ihm seine Rechte verweigerte – und Marys Scham, nachdem sie festgestellt hatte, dass das Kind eines anderen unter ihrem Herzen wuchs … “Nein, du hast sie nicht in den Tod gehetzt, Devon. Ich glaube, sie ist wegen ihres Zustands weggelaufen. Weil sie die Schande nicht ertrug. Sie wollte dir nicht zumuten, das Kind eines anderen großzuziehen. Und deine Frau konnte sie nicht sein, nachdem sie sich ihrem Geliebten hingegeben hatte. Sie nahm dir nichts übel. Das hat sogar mein Bruder zugegeben. Nur von ihren Schuldgefühlen wurde sie aus deinem Haus getrieben. Wahrscheinlich bestellte sie Nicholas in das Gasthaus, um ihm von dem Baby zu erzählen.”
Wortlos senkte er den Kopf, und als er nach einem langen Schweigen aufblickte, sah sie Tränen in seinen Augen. “O Sarah …”
“Sag nichts”, unterbrach sie ihn, umfing seine Taille und lehnte ihre Wange an seine Brust. Er zögerte nur kurz, dann presste er sie an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar.
Eng umschlungen standen sie da und lauschten ihren Herzschlägen. Erst als irgendetwas um Sarahs Beine strich und leise miaute, ließ Devon sie los. “Offenbar will uns dein Aufpasser zum Picknick zurückholen.”
“Sieht so aus … Alles in Ordnung?”
“Ja … nein …” Er lächelte gequält. “Nun, ich denke schon – wenn ich auch keine Ahnung habe, was ich jetzt tun soll.”
“Worum geht’s denn?”
“Um dich und mich.” Hilflos zuckte er die Achseln.
“Vielleicht könnten wir Freunde sein.”
“Freunde?”, wiederholte er sichtlich enttäuscht. “Willst du das?”
“Es wäre ein Anfang.”
“Also gut.” Er reichte ihr seine Hand. “Gehen wir. Sonst glauben die anderen, ich würde dich verführen.”
Dicht gefolgt von Merlin schlenderten sie zum Turm.
Caroline stand auf. “Wenn ich noch länger hier faulenze, schlafe ich ein. Ich muss unbedingt einen Spaziergang machen. Kommt jemand mit?”
Nach der üppigen Mahlzeit saßen sie im Schatten der Bäume, auf mehreren Decken. Die Männer waren zum Bach gewandert, ein paar Damen besichtigten den Blumengarten neben dem alten Turm.
Auch Jessica erhob sich. “Eine gute Idee. Was meinst du, Sarah?”
“Ich bleibe lieber hier”, erwiderte Sarah. Nicht nur die fast schlaflose Nacht hatte sie ermüdet – auch das Gespräch mit Devon. Darüber wollte sie vorerst nicht nachdenken. Ihre Gefühle und Gedanken brauchten etwas Ruhe. Geistesabwesend streichelte sie Merlins Fell und beobachtete die anderen. Der Kater war erstaunlicherweise nicht weggelaufen. Es gefiel ihm, bei Sarah zu sitzen oder dem Reitknecht zu folgen, den er inzwischen ins Herz geschlossen hatte. Zum Glück hatte er Blanton daran gehindert, den Damen nach dem Picknick Gesellschaft zu leisten. Stattdessen hatte er es vorgezogen, die Gentlemen zum Bach zu begleiten.
Nicht weit von Sarah entfernt saß Amelia, in ein Gespräch mit Lady Townsley und Caroline Kenton vertieft. Unwillig runzelte Sarah die Stirn, als sie feststellte, dass Blanton zurückgekehrt war und Caroline erneut in die Enge zu treiben schien. Wollte er schon wieder eine junge Dame kompromittieren?
Langsam stand sie auf, Merlin in den Armen. Obwohl er ziemlich schwer war, konnte sie ihn tragen, wenn sie sein Gewicht auf ihr gesundes Handgelenk verlagerte. Zielstrebig ging sie zu Caroline. “Guten Tag, Mr. Blanton.”
Sobald er den Kater erblickte, wich er angewidert zurück, und sie lächelte sanft. “Möchten Sie Merlin streicheln?”
“Nein, ich hasse Katzen.”
“Oh, ich liebe diese Tiere”, verkündete Caroline.
“Wären Sie dann so freundlich, Merlin für mich halten? Ich … ich muss meinen Mann suchen, und Merlin darf nicht weglaufen … Ah, Jessica schaut sich schon nach Ihnen um.” Wenigstens konnte sie das Mädchen für eine kleine Weile von Blanton befreien.
“Oh, ich passe sehr gern auf Ihren Kater auf.” Caroline nahm ihr Merlin ab, der Blanton mit ausdruckslosen gelben Augen anstarrte. “Wenn Sie mich entschuldigen, Mr. Blanton …”, bat sie höflich.
“Natürlich.” Er verneigte sich, dann musterte er Sarah mit unverhohlener Wut.
Ohne ihn weiter zu beachten, wanderte sie in den Wald, lehnte sich an einen Baum und überlegte, was sie gegen Blanton unternehmen könnte. Vielleicht sollte sie mit Charles sprechen. Aber dann würde er sich erkundigen, warum
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