Warum so scheu, MyLady
sie eine so heftige Abneigung gegen Blanton entwickelt hatte. Und ein so vertrauliches Gespräch wollte sie nicht wagen, nachdem in ihrer Ehe endlich ein erträglicher Waffenstillstand herrschte. Aber sie würde Devon mitteilen, was sie befürchtete, und ihn bitten, Charles zu informieren.
“Versteckst du dich?”
Erschrocken zuckte sie zusammen. Devon stand hinter ihr, als hätten ihre Gedanken ihn herbeigelockt. “Kannst du dich nicht etwas höflicher bemerkbar machen?”
“Das habe ich doch getan”, verteidigte er sich mit einem schwachen Lächeln. “Was machst du hier, ganz allein?”
“Ich denke nach. Und ich habe soeben beschlossen, mit dir zu reden.”
“Welch ein erstaunlicher Zufall! Ich möchte mich nämlich auch mit dir unterhalten. Gehen wir spazieren?” Plötzlich glich er wieder dem charmanten jungen Mann, mit dem Mary sich verlobt hatte.
“Sehr gern.” Bereitwillig ergriff sie die Hand, die er ihr reichte.
“Zum Bach oder zum Turm?”
“Bitte, wieder zum Bach.” Am Ufer angekommen, zeigte er auf eine roh gezimmerte Bank – ein Brett, das über zwei Baumstümpfen lag. “Setzen wir uns? Oder könnte das raue Holz dein Kleid ruinieren?”
“Sicher nicht.” Sie nahm Platz, arrangierte ihre Röcke, und Devon ließ sich neben ihr nieder. Auf der kleinen Bank berührten sich ihre Schenkel. Selbstvergessen betrachtete Sarah sein Profil und wünschte, er würde sie wieder küssen.
“Worüber willst du mit mir reden, Sarah?”
Hastig verdrängte sie ihre schamlosen Gedanken. “Über Cedric Blanton.”
“Hat er dich wieder belästigt?”, fragte Devon in scharfem Ton.
“Nein, seit dem Ball nicht mehr. Ich glaube sogar, mittlerweile hasst er mich. Aber ich fürchte, er interessiert sich viel zu sehr für Caroline Kenton. Womöglich bringt er sie in eine unangenehme Situation. Nun, vielleicht irre ich mich.”
“Deine Sorge ist durchaus berechtigt. Übrigens warst du nicht das erste Mädchen, das er zur Ehe zwingen wollte.”
Entsetzt schaute sie ihn an. “Also gab es noch andere? Ich hatte keine Ahnung … Bitte, Devon, würdest du mit Mr. Kenton darüber reden? Ich habe Caroline bereits vor Blanton gewarnt. Aber ich glaube, das genügt nicht.”
“Der Meinung bin ich auch, und deshalb werde ich Kenton Bescheid geben.” Er zog ihre Hand an seine Lippen. “Keine Bange, meine süße Sarah, Caroline wird nichts zustoßen.” Der zarte Kuss jagte einen Schauer durch ihren Körper. “Möchtest du mir noch etwas sagen?”, fragte er und ließ ihre Hand los. “Vielleicht sollten wir da anfangen, wo wir gestern Abend aufgehört haben. Warum wolltest du mit mir allein sein?”
Plötzlich wirkte er völlig verändert – als wäre er von all seinen inneren Spannungen befreit. “Aus keinem besonderen Grund.”
“Also hattest du einfach nur Sehnsucht nach meiner Gesellschaft?”
“Wenn du’s unbedingt wissen musst – ja.” Heiße Röte färbte ihre Wangen. Wäre sie geistreich wie Amelia, würde ihr ein witziges Bonmot einfallen. Stattdessen fühlte sie sich ungeschickt und furchtbar naiv.
“Ah, ich verstehe. Dein Geständnis ehrt mich. Dass eine schöne Frau meine Gesellschaft zu schätzen weiß, erlebe ich nur selten.”
Wie kalt seine Stimme klang … Versuchte er eine neue Barriere zu errichten, die sie von ihm trennte? “Irgendwie fällt’s mir schwer, das zu glauben.”
“Warum?”
“Weil die Klatschmäuler etwas anderes behaupten. Und …”
“Ja?”
“Du scheinst deine Anziehungskraft zu unterschätzen.”
Verständnislos starrte er sie an. “Wie meinst du das?”
“Du siehst gut aus, bist intelligent, und du kannst sehr nett sein, wenn du’s willst. Solche Eigenschaften gefallen den meisten Frauen.”
“Nun – dass du dir ein so umfassendes Urteil über mich gebildet hast, wusste ich gar nicht.”
“Trotzdem habe ich’s getan”, erwiderte sie herausfordernd.
Ohne sie anzuschauen, bemerkte er: “Also hast du gestern Abend meine Gesellschaft gesucht, um …”
“Um deine Anziehungskraft zu genießen.”
Die Stirn gerunzelt, stand er auf. “Ich fürchte, Sarah, du spielst schon wieder mit mir.”
“Vielleicht … Jedenfalls finde ich dich sehr attraktiv.”
“Flirtest du mit mir?”
“Ja. Zumindest will ich’s versuchen”, verbesserte sie sich. “Leider machst du mir’s ziemlich schwer. Und mir fehlt eine gewisse Übung …”
“Sei unbesorgt, du musst nicht flirten. Du bist ohnehin schon gefährlich
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