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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
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also, was und mit wem sie in der Schule arbeiten wollen. Die Bedeutung des Lehrers als Lehrender und Anleitender rückt immer mehr in den Hintergrund, Zielvorstellung ist im Grunde, dass das Kind in die Lage versetzt sein soll, sich den Stoff alleine anzueignen. Als Beispiel ließen sich in der Grundschule die so genannten Anlauttabellen anführen, in denen Kinder über Bilder Buchstaben zuordnen lernen und damit das Gefühl bekommen sollen, sich das Lesen selbst beibringen zu können.
    Der Lernaufbau im heutigen Schulunterricht ist allzu oft nicht mehr folgerichtig, da er zu wenige Elemente der Kontinuität enthält. Da wird heute an diesem Thema gearbeitet, morgen an jenem, immer darauf bedacht, wie es - scheinbar - den Bedürfnissen der Schüler am meisten entgegenkommt. Doch vieles wird dabei nicht mehr ordentlich zum Abschluss gebracht, fehlende Sinn-Haftigkeit des schulischen Tuns ist eine Folge davon. Diese fehlende Kontinuität und Struktur im Lernverhalten sorgt für ein pädagogisches Paradoxon: Gedacht dazu, dass den Kindern weniger Druck auferlegt werde, um bessere Leistungen zu erzielen, sorgen solche Maßnahmen gerade dafür, dass Druck entsteht, weil die Kinder keinerlei Orientierung im schulischen Alltag geboten bekommen. Sie sollen statt dessen den Lernerfolg »aus sich selbst heraus« zustande bekommen: Für Kinder ein Ding der Unmöglichkeit.
    Beim Thema Hausaufgaben ist es keine Seltenheit mehr, dass Eltern von der Schule geraten wird, keine Betreuung zu
leisten, sondern es dem Kind zu überlassen, die Aufgaben zu erledigen. Ziel dieses Ratschlags ist eine größere Selbstständigkeit des Kindes und natürlich die Gewährung eines größtmöglichen Freiraums.
    Ich könnte unzählige weitere Beispiele anführen, die mir in meinen häufigen Gesprächen mit Eltern und Lehrern begegnen, doch sollte bis hierhin schon deutlich geworden sein, worum es mir geht.
    Hausaufgabenbetreuung wird heute häufig als Zwang missdeutet, teilweise kommt man, dies geschieht tatsächlich, den scheinbaren Bedürfnissen der Kinder entgegen, indem die Dauer der Schulstunden auf 20 Minuten reduziert wird. Letzteres eine besonders frappierende Reaktion auf Konzentrationsmängel der Kinder. Dem Kind wird von den Erwachsenen dabei die Rolle eines gleichberechtigten Partners zugewiesen, der Erwachsene, gleich, ob Lehrer in der Schule oder Erzieher im Kindergarten, braucht seine Funktion als Orientierungspunkt und Leitfigur nicht mehr wahrnehmen, sondern kann zufrieden sein, einer modernen Denkweise zu huldigen, die das Kind scheinbar auf eine ihm gerecht werdende Ebene hebt. Darüber hinaus erfüllt die Vorgehensweise auch die Funktion, sich selbst Bestätigung zu holen, den Ansprüchen, die die Gesellschaft an Lehrer und Erzieher stellt, gerecht zu werden. Letzteres ist indes bereits ein Zeichen, dass die zweite, auf der Partnerschaftlichkeit aufbauende, Beziehungsstörung sich ankündigt, die Projektion.
    Um ermessen zu können, von welch immenser Bedeutung die scheinbar harmlose Einbeziehung von Kindern in Erwachsenenprobleme sein kann, muss man sich nur Extrembeispiele vor Augen halten. So etwa den Fall des 10-jährigen Timo, der von klein auf jeden heftigen Konflikt seiner Eltern mitbekam, weil niemand auch nur im Entferntesten daran dachte, ihm das zu ersparen. In einer besonders harten Konfrontation
der Eltern, bei der der Vater im Vollrausch seine Frau mit einer Pistole bedrohte, stellte sich Timo schützend vor die Mutter, wurde also sogar in eine lebensgefährliche Situation hineingezwungen.
    Ein ähnlicher Fall ist der 14-jährige Max, der seine Mutter zum Schutz vom dem eifersüchtigen wütenden Vater in ein Zimmer einschließen musste und dann mit dem Schlüssel in der Hand weglief.
    Zwar handelt es sich dabei um exponierte Fälle, doch haben in den letzten Jahren Berichte über ähnliche Ereignisse an Häufigkeit zugenommen; das lässt sich bei halbwegs aufmerksamer Lektüre großer Zeitungen und Magazine eindeutig feststellen.
    Ein Fallbeispiel: Ein Grundschullehrer erzählt von Martin, der nicht hören will
    Â»Martin, 8 Jahre, hatte von Anfang Schwierigkeiten, Arbeitsaufträge auszuführen. Ich muss ihn immer mehrfach ansprechen, bevor er reagiert. Er beschäftigt sich stattdessen lieber mit anderen Dingen wie den Sachen aus seinem Mäppchen oder seinem Sitznachbarn. Vielleicht

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