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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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vorbeigefahren. Du weißt doch, die haben sich letztes Jahr das teure Rennboot angeschafft -«
    Dieser Dubois redete, als wäre es eine Yacht.
    »- und die hockt bloß da auf ihrem Stuhl. Auf einem Schaukelstuhl und mit einer Lampe.«
    Florence hatte sich vom Mikrowellenherd abgewandt - sie garte alles in der Mikrowelle - und redete weiter: »Nachts. Ist das zu fassen? Und schleppt sich eine Lampe da runter? Woher kriegt die denn da unten bloß Strom, frag ich mich?«
    Sam hätte antworten müssen, aber er las einfach den La Porte Pendant weiter und schwieg. Und wieder wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Mikrowellenherd zu, den sie manchmal sehr lange anstarrte, so wie manche Leute auf ihre in der Trommel kreisende Wäsche oder auf ihre Fernsehschirme glotzen. Durch die Küchentür konnte Sam seinen eigenen Fernseher und die darauf flimmernden Gesichter sehen, deren Münder stumme Worte formten. Der Ton war oft abgestellt.
    »Also wenn das nicht unheimlich ist, findest du nicht? Häh?« Wieder an seiner Seite, trommelte sie sich mit den Fingern auf die Hüften. Florence hatte nicht viel Geduld. Sie haßte es, wenn sie etwas in der Mikrowelle aufwärmen wollte und dabei Minuten einstellen mußte. Sie gab sich nur mit Sekunden ab. Sie starrte auf die schwarze Glastür und haßte das Ding gleichzeitig. Florence versuchte, ihn zu einer Antwort zu bewegen; sie wußte, daß er Maud Chadwick mochte.
    »Übergeschnappt, sagen die Dubois jedenfalls. Bubby hält sie für ganz schön übergeschnappt.«
    »Bubby muß es ja wissen«, sagte Sam, schlug die Rubrik »Persönliches« auf und guckte, wer eine Zusammenkunft ankündigte, zu der alle eingeladen waren. Manche von den Leuten hier hatten Hunderte von Verwandten. So viele Einladungen konnten sie nicht schicken, also gaben sie Anzeigen auf.
    »Und was soll das nun wieder heißen, Samuel?« Mit immer höherer Stimme schlug sie die Silben an, als spiele sie eine Tonleiter.
    Florence glaubte, ihren Mann zu irritieren, indem sie ihn mit »Samuel« anredete. Er hatte ihr nie erzählt, daß Samuel gar nicht sein richtiger Name war. Seine Eltern liebten die Einfachheit. Er beantwortete ihre Frage nicht, sondern blickte über den Zeitungsrand und sagte: »Ist das Toast da drinnen? Wärmst du den Toast schon wieder in der Mikrowelle auf?«
    »Ich wiederhole - was soll das heißen?«
    »Daß man Brot nicht in der Mikrowelle toasten kann, das heißt es.« Sam nahm einen Schluck Kaffee. Es war eine fade Brühe. Sie hatte ihn in der Mikrowelle erhitzt.
    »Scheiß doch auf den Scheiß-Toast!« Florences Vorrat an Schimpfwörtern war beschränkt. »Ich red nicht vom Toast. Ich meine diese Bemerkung über Dubois. Was hast du gemeint, als du gesagt hast: ›Der muß es ja wissen‹? In Hinblick auf die Übergeschnappte, mein ich.«
    Florence wußte es ganz genau, sonst wäre ihr Sams Bemerkung gar nicht so lange im Gedächtnis haften geblieben. Einen direkten Angriff auf den Alten vermeidend, machte er nur eine Anmerkung zum Benehmen der beiden Dubois-Söhne. »Darryl und Rick landen irgendwann noch mal vor dem Jugendrichter, da kannst du Gift drauf nehmen. Ich hab sie erwischt, wie sie in der Volksschule Crack verkauft haben; Donny hat sie geschnappt, als sie zu mehreren versuchten, das Childess-Mädchen zu vergewaltigen -«
    Der Mikrowellenherd summte, und sie riß die Tür auf. »Üble Nachrede, weiter nichts.«
    Sam seufzte. Es war zwecklos, sich auf einen Streit über den Alten, Bubby Dubois, einzulassen. Bubby - was für ein Mann würde sich schon bei seinem Kindernamen rufen lassen? Die Sache war die: Florence schlief mit ihm, und jetzt beäugte sie Sam mit ihren feuchten, schwarzen, griechischen Olivenaugen und fürchtete, daß er es wußte. Ja, vielleicht wußte sie sogar, daß Sam es wußte. Wahrscheinlich wußten es sowieso alle in La Porte.
    Er tat, als bemerke er nicht, wie sie dastand, den Teller mit Eiern, Speck und Toast in der Hand, und ihre großen, vertrauten, noch immer verlockenden Brüste sich hoben und senkten - er fragte sich, ob vor Zorn oder Angst.
    Er konnte sie nicht ansehen, weil er sie nicht mehr liebte, weil es ihm inzwischen gleichgültig war, ob sie einen Liebhaber hatte oder nicht. Und irgendwie - ganz seltsam war das - fühlte er sich deswegen als der Schuldige. Er hatte beinahe Mitleid mit Florence, weil sie nichts Besseres abkriegte als Bubby Dubois, fast so, wie sich ein Vater um seine Tochter sorgen würde, die sich einem Rumtreiber an den Hals geworfen

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