Was am See geschah
hoch, weil sie Kleinmädchenbrüste hatte, einen kaum entwickelten Busen, und die Warzen (sie achtete drauf, daß sie durchschimmerten) sahen aus wie Bleistiftspitzen.
Sam saß da, rauchte und fragte sich, wer wohl jetzt bei ihr zu einer »Séance« war. Der Bürgermeister höchstwahrscheinlich. Er gehörte zu den Stammkunden - konsultierte Hubert immer vor der Wahl oder um ihn zu fragen, was man wegen der Schlaglöcher auf der Tremont Street und der bevorstehenden Ratsversammlung unternehmen sollte. Aber Bunny zufolge kamen sie eigentlich der Vergangenheit wegen: um mit ihren lieben Anverwandten Kontakt aufzunehmen; um bei Bunny die feierliche, rauhe Stimme Huberts zu hören und den Vorhang über einem überlebten Stück erneut hochgehen zu lassen. »Um mit unseren längst hingeschiedenen Lieben zu reden, Sammy«, hatte sie ihm mit tränenverschleierten Augen und schniefender Frettchennase erzählt. »Stell dir das nur mal vor, lieber Sammy!«
Der liebe Sammy konnte sich nur zu gut vorstellen, daß die Spiegel hübsch was vertragen mußten und daß das Rumpeln und Pochen und gelegentliche Scheppern bedeutete, daß die Lieben mit Sicherheit Kontakt untereinander hergestellt hatten.
Bunny zufolge waren auf die Bitte - nein, das ausdrückliche Verlangen - Huberts hin die Spiegel in ihrer Zweizimmer-Asbest-Schindelhütte angebracht worden, denn Hubert war in seinem früheren Leben ein Prinz von Liechtenstein gewesen und betrachtete sich gerne in vollem Staat von allen Seiten.
Sam hatte bei einer seiner seltenen »Kontrollen« am Türpfosten gelehnt, langsam auf seinem Kaugummi herumgekaut und sich darüber, wie Bunny versuchte, ihre winzige rosa Zunge um das Wort »Liechtenstein« herumzuwickeln, fast mehr amüsiert als über die Spiegelgeschichte. Er wäre hineingegangen, nur war er sich nicht sicher, ob Bunnys Kunde sich genauso schnell aufrappeln konnte wie sie selber. Aber abgesehen davon, wollte Sam sich sowieso nicht endlos im Carusoschen Spiegelkabinett reflektiert sehen.
Nicht, daß Bunny ihn nicht dazu eingeladen hätte. Bei ihren Besuchen auf der Polizeistation sprach sie stets von Sams Aura, umklammerte dabei gewohnheitsmäßig ihre kantigen Ellbogen und erschauerte »vor lauter Wonne« (wie sie sagte) über etwas, von dem Sammy nichts mitkriegte. Es hing damit zusammen, daß sie seherische Fähigkeiten und einen sechsten Sinn hatte. Ganz abgesehen von Hubert.
Einige dieser Besuche waren offizieller Natur, wenn sie auch beide ein rein geselliges Interesse vorschützten. Sam ließ Bunny nicht aus dem Auge: Er meinte, sie solle alle zwei Monate oder so ein ärztliches Attest bringen. Sie setzten stillschweigend voraus, daß er einfach ein bißchen besorgt um sie war und jedenfalls nicht als Polizeibeamter, sondern aus reiner Freundschaft so handelte. Er sorgte sich um ihre Nerven und darum, daß ihre Sitzungen mit Hubert ja wohl sehr erschöpfend waren und es Medien, soweit er das aus Filmen kannte, ja auch mal ziemlich dreckig gehen konnte. Diese Strapazen konnten zu Zusammenbrüchen führen. Wenn sie lieber nicht zum hiesigen Arzt gehen wollte, so könne sie auch zu jedem anderen gehen - vielleicht zu einem in Hebrides.
Sam ging sogar auf Bunnys seltsames Gewerbe ein und erzählte ihr von einem berühmten Schriftsteller (über den Maud sich ausgelassen hatte) namens Georges Simenon, der sich einer vollständigen ärztlichen Untersuchung, einem kompletten Check-up zu unterziehen pflegte, ehe er sich in irgendeinem Hotel verkroch, um sein nächstes Buch zu schreiben.
Bunny war fasziniert. So fasziniert, daß sie mit weit aufgerissenen Augen dasaß. »Wie viele Bücher hat dieser George geschrieben?«
Sam versuchte sich zu erinnern, was Maud ihm erzählt hatte. Er lehnte sich zurück, nickte feierlich und sagte: »So um die zweihundert.«
»Meine Güü-te!« Bunny preßte die Hände auf ihre winzigen Titten - nicht, weil sie ihn anmachen wollte, sondern weil es vermutlich einfach ihre Gewohnheit war - und sagte:
»Sammy, meinst du, ich könnte das auch?«
Sam runzelte die Stirn und schob sich die dunkle Brille ein bißchen weiter hoch. Immer wenn er Bunny den Bürgersteig entlangkommen sah, setzte er diese Brille auf, sogar drinnen; sonst hätte sie das Lachen gesehen. »Du brauchst keinen totalen Check-up. Vielleicht einen kleinen Bluttest.«
Sie fuchtelte mit den Händen wie eine Frau, die ihre frischlackierten Fingernägel trocknet. »Nein, nein. Ein Buch schreiben. Glaubst du, ich könnte ein
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